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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erst jetzt zu beachten begann. Er wußte nicht, welche Deutung er diesem Lächeln geben solle. Es war so höflich, so freundlich, aber auch so selbstbewußt und dabei wohl auch ein klein wenig niederträchtig.
    Leni gab sein sichres Auftreten Spaß. Er gab sich als einen Mann, dessen Absicht unbedingt in Erfüllung gehen müsse. Das bestimmte sie, ihm nun erst recht nicht zu Diensten zu sein.
    „Haben Sie Engagement?“ fragte er.
    „Nein.“
    „Also sind Sie kontraktfrei?“
    „Ja.“
    „Nun wohl! Ich werde Sie engagieren.“
    Er war allerdings einer der bedeutendsten Agenten. Hunderte von Künstlern wären ganz glücklich gewesen, von ihm die Worte ‚Ich werde sie engagieren‘ zu hören. Das wußte er. Darum war es ein lächelnder, siegessicherer Blick, den er auf sie warf. Sie aber zuckte nur die Achsel, ohne direkt zu antworten.
    „Nun, was sagen Sie dazu?“ fragte er.
    „Ist das die Absicht Ihres Besuches, mich zu engagieren?“
    „Ja.“
    „So werden Sie dieselbe nicht erreichen.“
    „Ah! Unmöglich!“
    „Ganz gewiß.“
    „Aber, Signora, warum denn nicht?“
    „Aus verschiedenen Gründen, welche Ihnen mitzuteilen ich mich nicht berufen fühle.“
    „Ich ersuche Sie aber grad recht dringend, mir diese Gründe zu wissen zu tun.“
    „Das könnte an meinem Entschluß doch nichts ändern.“
    „Ich wüßte dann aber, woran ich bin.“
    „Gut! So sollen Sie meine Gründe hören. Einige sind sachlicher, der allererste aber ist persönlicher Natur. Sie kamen in der festen Überzeugung zu mir, daß ich auf ein Engagement mit Ihnen eingehen würde?“
    „Allerdings.“
    „Weil es, sozusagen, eine Ehre ist, von Ihnen mit einer Offerte bedacht zu werden.“
    „Hm! Ich will nicht unbescheiden sein.“
    „Und ich will offen sein. Ihre Sicherheit vermag nicht, mir zu imponieren; sie beleidigt mich vielmehr doppelt, nämlich sowohl als Dame als auch als Künstlerin. Ein Agent, welcher glaubt, mir einen großen Dienst oder gar eine Gnade zu erweisen, indem er mir seinen Besuch macht, wird niemals einen Gulden an mir verdienen.“
    „Ah!“
    Er fuhr halb von seinem Stuhl empor.
    „Ja, mein Herr. Die Quintessenz Ihrer Absicht ist doch, sich Prozente zu verdienen. Also ist's der Egoismus, welcher Sie zu mir führt, nicht die Rücksicht auf mein eigenes Wohl.“
    „Das könnte ich bestreiten, unterlasse es aber lieber. Doch bitte ich, gütigst zu bedenken, daß es einer Künstlerin geraten ist, sich das Wohlwollen wenigstens der bedeutenderen unter den Agenten zu erwerben. Wie die Verhältnisse jetzt liegen, brauchen Sie uns unbedingt.“
    „Nein.“
    „O doch!“
    „Ich habe nicht die Absicht, ein Engagement einzugehen. Und selbst wenn dies meine Absicht wäre, würde ich mich ohne die Hilfe eines Agenten zu plazieren wissen.“
    „Entschuldigung, gnädiges Fräulein! Ich bin nie gern unhöflich. Darum will ich nicht Ihnen eine Unkenntnis der Verhältnisse vorwerfen; aber die Bemerkung muß ich machen, daß Sie in Zukunft doch wohl noch Erfahrungen zu machen haben.“
    „Das bestreite ich nicht.“
    „Rein geschäftliche, trockene Erfahrungen, deren Kenntnis eine Dame eben am besten ihrem Agenten überläßt.“
    „Um ihn bezahlen zu dürfen! Ich werde irgendwelche Engagements nur direkt eingehen. Meinetwegen braucht kein Agent zu existieren. Darum berührt es mich nicht angenehm, daß sie eine so große Siegesgewißheit zeigen. Das war, wie bereits erwähnt, der eine Grund. Die anderen Gründe sind mehr sachlicher Natur.“
    „Darf ich sie kennenlernen?“
    „Gern. Ich habe noch keine Lust, mich an irgend eine Bühne zu binden.“
    „Keine Lust? Sie müssen doch leben!“
    „Ich lebe auch ohnedies. Ferner sind meine Studien noch nicht beendet!“
    „Soll ich das glauben?“
    „Ich bitte darum!“
    „Dann hätte Ihr Ruf zu viel gesagt!“
    „Jedenfalls. Ich habe sogar noch rein technische Schwierigkeiten zu überwinden. Ich kann unmöglich ein Engagement eingehen.“
    „Aber, Signora, Sie können sich doch ausbilden, trotzdem Sie feste Stellung haben!“
    „Ich sehe davon ab. Wer mich engagiert, soll keine Mängel an mir finden.“
    „Sapperment! Da stehen Sie allerdings mit solchen ehrenwerten Ansichten einzig unter den Künstlerinnen da!“
    „Ich kenne meine Pflicht und werde sie jederzeit erfüllen. Sie sehen also, daß Ihr heutiger Besuch kein erfolgreicher ist.“
    „Oh, ich verzweifle dennoch nicht.“
    Er hatte sich erhoben und sagte das lächelnd, indem er, ihre Gestalt

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