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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gefahr einen so hohen Kredit, als wir selbst bei Ihnen genießen, unbeschränkt eröffnen und uns die von ihm bei Ihnen erhobenen Summen zu monatlicher Sicht auf Wechsel stellen.“
    Unterzeichnet war diese seltene Anweisung von einer der bedeutendsten Bankfirmen der Hauptstadt Bayerns.
    Beim Lesen derselben stiegen die Brauen des Kommerzienrates höher und immer höher. Seine Augen prüften dann mit doppelt scharfem Blick die Unterschrift auf die Echtheit, und als er erkennen mußte, daß an derselben gar nicht zu zweifeln sei, nahm sein Gesicht den Ausdruck einer unendlichen Hochachtung an. Seine Schultern zogen sich demütig nach vorn, und seine Unterlippe senkte sich herab. Er erhob sich, machte eine tiefe, respektvolle, zeremonielle Verbeugung und sagte:
    „Herr Hauptmann, ich bin Ihr alleruntertänigster Diener und stelle mich mit meinem ganzen Vermögen und Kredit Ihnen zur geneigten Verfügung.“
    Der Alte erwiderte die Verbeugung mit einem einfachen Nicken und antwortete lächelnd:
    „Danke! Was ich brauche, ist gar nicht der Rede wert, vielleicht einige hundert Gulden, wahrscheinlich aber gar nichts.“
    Da machte der Baron ein hocherstauntes Gesicht.
    „Aber, mein Herr, wissen Sie denn nicht, wie viel Sie bei mir entnehmen können?“
    „O doch! So viel, wie ich brauche.“
    „Aber das kann eine Million sein, noch mehr, mehrere Millionen. Ich gebe sie Ihnen!“
    „Danke! Ich bin ein sparsamer Mann, habe bereits einiges Geld zu mir gesteckt, so viel ich nämlich voraussichtlich brauchen werde, und versah mich nur deshalb mit dieser Anweisung an Sie, weil man doch einmal sein Portemonnaie vergessen oder verlieren kann. Ich bin auch bereits einmal in die Verlegenheit gekommen, eine Zeche von sechzehn Groschen nicht bezahlen zu können. Habe dem Kellner meine Uhr als Pfand zurücklassen müssen.“
    „Sie! Sie? Für sechzehn Groschen! Ein Mann, dem ich Millionen geben würde!“
    „Der Mann kannte mich ja nicht. Hier in Wien bin ich noch weniger bekannt. Wenn sich so ein Fall hier ergeben würde, so kann ich den Kellner an Sie weisen.“
    Der Kommerzienrat fand vor Erstaunen gar keine Worte. Endlich fragte er:
    „Bei der Eröffnung eines solchen Kredites muß ich selbstverständlich annehmen, daß Sie voraussichtlich hier ganz bedeutende Ausgaben zu machen beabsichtigen.“
    „Gar nicht. Ich will Wien kennenlernen und mich einige Tage amüsieren. Dann reise ich weiter.“
    „Bitte, wohin?“
    „Nach Triest vielleicht.“
    „Besitzen Sie bereits Kreditbriefe an dortige Bankhäuser? Wo nicht, so stelle ich mich gern zur Verfügung.“
    „Danke! Bin auch für dort versehen.“
    Der Bankier begann fast zu schwitzen. Es wurde ihm beinahe unheimlich vor lauter Hochachtung. Für Wien so ein ungeheurer Kredit, und für Triest, für weitere Orte wohl auch noch! Der alte Hauptmann mußte doch ein ungeheuer reicher Kerl sein.
    Natürlich hatte der Bankier gerade so wie jeder Besitzer einer Bank die Gepflogenheit, jedem Interessenten, welcher mit einer oder vielmehr über eine gewisse Summe bei ihm akkrediert wurde, sein Haus zu öffnen und ihn zu sich einzuladen. Darauf besann er sich. Mit diesem bayrischen Hauptmann konnte ja geradezu Staat gemacht werden.
    Jeder andere wurde nur zur Tafel geladen, in diesem ganz außerordentlichen Fall aber konnte nur von Vorteil sein, eine noch bedeutendere Gastfreundschaft zu entwickeln. Darum erkundigte sich der Bankier:
    „Darf ich fragen, Herr Hauptmann, wo Sie abgestiegen sind?“
    „Im ‚Kronprinzen von Österreich‘, Asperngasse.“
    „Aber dort werden Sie doch nicht wohnen bleiben?“
    „Warum nicht?“
    „Bei den Ansprüchen, welche Sie machen können!“
    „Ich könnte, ja, aber ich mache keine. Je einfacher man lebt, desto freier ist man.“
    „Das ist zwar sehr richtig, aber man verzichtet doch selbst in der Fremde nicht gern auf Gewohntes, Bequemes. Ich offeriere Ihnen eine Wohnung in meinem Haus und würde mich sehr geehrt fühlen, wenn Sie die Güte hätten, mir die Erfüllung dieses Wunsches zu gewähren.“
    „Danke, Herr Baron! Sie sagen selbst, daß man auf Gewohntes nicht verzichten solle, und meine Gewohnheit ist es eben, auf Reisen niemanden zu inkommodieren und zugleich meine Selbständigkeit dadurch zu wahren, daß ich nur in Hotels wohne. Darum hoffe ich, Sie werden verzeihen, wenn ich auch hier nach dieser Regel handle.“
    „Nur ungern! Aber Ihr Wunsch ist mir natürlich Befehl. Doch hoffe ich, daß Sie mir dann eine andere, ebenso

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