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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und schneller, als man es zu erzählen vermag. Bereits nach wenigen Augenblicken war der Riemen durchschnitten und der Graf hatte seine Hände frei. Keine Sekunde später hatte er auch den Riemen an seinem Beinen gelöst.
    „Ah! Frei!“ seufzte er erleichtert auf. „Und nun dem Kerl nach. Vielleicht ist er noch im Haus! In diesem Fall soll er mir nicht entgehen. Ich habe mein Ehrenwort gegeben, nicht zu schreien; aber daß ich auch nichts anderes tun werde, das habe ich nicht versprochen. Ihm also nach.“
    Er riß einen Hirschfänger von der Wand und – bemerkte nun erst, daß er nicht angekleidet war. In fieberhafter Hast zog er nur Hose, Weste und die Stiefeln an und eilte dann nach der Tür – vergebens! Sie war ja verschlossen.
    Seit dem Augenblick, an welchem der Samiel die Stube verlassen hatte, waren nicht drei Minuten vergangen. Er konnte noch im Haus sein.
    Der Graf suchte nach einem anderen Ausgang, und dieser war vorhanden.
    Eine Tür führte in eine kleine Nebenstube. Der Graf stieß sie auf. Von da ging eine Tür hinaus nach dem Vorplatz zur Treppe. Eben als der Graf auch diese öffnete, ertönte unten eine weibliche Stimme:
    „Herrgott! Dera Samiel!“
    Den Hirschfänger mit den Fingern fest umklammernd, sprang der Graf zur Treppe hinab. Er hörte verworrene Stimmen und dann einen Schuß. Es war ihm gewesen, als ob der Ruf aus dem Munde Marthas erklungen sei.
    Diese Vermutung war die richtige. Es war Martha, die ihn ausgestoßen hatte.
    Sie hatte mit Fritz, als die Kronenbäuerin auf eine so seltsame Weise von dem Ort des Stelldicheins fortgeeilt war, noch einige Augenblicke lautlos gewartet, ob die Bäuerin nicht wiederkommen werde. Dann war Fritz aufgestanden, hatte ihre Hand ergriffen und sie fortgezogen.
    „Komm!“ sagte er. „Wir dürfen nicht länger hier bleiben.“
    „Wohin?“ fragte sie.
    „Nach Haus natürlich.“
    Sie eilten schnell über den vom Mond beschienenen Raum weg und blieben sodann, als sie den Schatten erreichten, verschnaufend stehen.
    „Hast's gehört, was sie sagte, als sie fortgegangen ist?“ fragte Martha.
    „Ja.“
    „Was mag sie vorhaben?“
    „Wer kann das wissen?“
    „Und wohin kann sie sein?“
    „Auch das weiß ich nicht. Mir scheint, daß sie etwas tun will, was deinem Oheim schädlich ist.“
    „Das hab ich mir auch denkt, aber das kann doch nicht sein.“
    „Warum nicht?“
    „Weil sie ihn so sehr lieb hat.“
    „Martha, glaubst das wirklich?“
    „Ja. Sie hat's ja selber sagt!“
    „Sie hat ihn belogen.“
    „O nein. So lügen kann doch unmöglich eine Frauen.“
    „Meinst du?“
    „Ja. So – so – sogar zärtlich mit ihm sein, sich so – so – solche Liebe gefallen lassen und ihm doch nicht gut sein, das ist doch in dera ganzen Welt gar nicht möglich.“
    „Bei dera Bäurin aber doch!“
    „Herrgott! Ich tät vor Scham sterben, wann einer, den ich nicht lieb hab, so mit mir tät, wie dera Oheim mir ihr tan hat.“
    „So! Aber von einem den du lieb hast, ließest du es dir gefallen?“
    „Auch nicht, so nicht!“
    „Wie aber denn?“
    Er legte die Hand um sie und zog sie sanft an sich.
    „Wie? Das weiß ich nicht“, antwortete sie leise.
    „Das weißt nicht? Wohl weilst noch keinen Buben habt hast?“
    „Ja.“
    „Hat denn noch keiner den Arm so um dich legt, wie ich's jetzund tu?“
    „Nein.“
    „Aber einen Kuß hast doch schon bereits mal erhalten?“
    „Nie, nie! Es hat keinen geben, dem ich so was hätt derlauben mögen.“
    „Und es gibt wohl auch keinen? Keinen einzigen?“
    Er beugte sich zärtlich zu ihr nieder. Seine Stimme hatte jenen unbeschreiblichen Ton, den nur die Liebe der menschlichen Kehle zu verleihen mag.
    Sie antwortete nicht. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Ja wollte sie nicht sagen, um ihn nicht zu betrüben, und nein konnte sie nicht hervorbringen. Ihr reines, jungfräuliches Gefühl sträubte sich dagegen.
    „Martha, magst mir nicht antworten? Gibt's einen, dem du es erlauben würdest, dich zu küssen?“
    „Ja“, hauchte sie, „aber nur ein einziger, ein allereinziger ist's.“
    „Wer?“
    „Das weißt nicht?“
    „Ich kann's mir denken.“
    „Nun, wen denkst dir denn?“
    „Ich denk, daß ich es bin. Hab ich da recht?“
    „Ja.“
    Er drückte sie noch inniger an sich.
    „Schau, Martha, das ist's, was mich so gar sehr glücklich macht, daß ich der erste und einzige bin, der dich anrühren darf. Wann ein Weib noch so schön ist, und es hat bereits einem anderen

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