71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
verließ.
Der Mond schien so hell hernieder, dahin, wo sie standen. Sie konnten sich also in die Gesichter sehen, als ob es am hellen Tage sei. Er zog das liebe, schöne Mädchen noch einmal recht innig an sich und fragte:
„Martha, soll's dein Oheim wissen, daß wir einander so lieb haben?“
„Ganz wie du willst.“
„So wollen wir es ihm noch für kurze Zeit verschweigen.“
„Hast einen Grund dazu?“
„Ja. Ich werd ihm erst mal zeigen, daß ich der Einwilligung der Bäuerin nicht bedarf, wann ich mir eine Frau nehmen will.“
„Das war eine Dummheiten, die sie sagt hat. Sie hat doch kein Recht und keine Vormundschaft über dich!“
„Nein, gar keine, und – Pst! Hast nicht was hört?“
„Ja.“
„Was war es?“
„Es war wie wenn man eine Türen aufklinken tut.“
„So ist's auch mir vorkommen.“
„Und zwar drin im Stall. Ich kenne diesen Ton genau.“
„Sollt jemand drinnen sein?“
„Wir werden uns täuscht haben.“
„Nein. Ich hab's ganz deutlich hört, denn es war – Schau! Himmelsakra!“
Er deutete nach dem kleinen Fensterchen des Stalls, welches in diesem Augenblick durch den Schein eines Lichts erleuchtet wurde.
„So ist doch wer drin!“ flüsterte Martha.
„Aber wer!“
„Nur die Magd kann es sein. Die Rotscheckerte hat heut nicht fressen wollt, und da wird die Magd nachschauen wollen, was die Kuh macht und ob sie vielleicht gar krank ist.“
„Wann's so ist, so soll es mich gefreuen. Wann's aber anders ist so – schau! Alle Teufel! Da geht die Tür auf!“
Sie standen grad der Tür gegenüber. Diese wurde geöffnet, und der Bastian trat heraus, ohne die beiden im ersten Augenblick zu bemerken, denn er hatte das Gesicht nach dem Innern des Stalls zugewendet.
Martha erblickte die dunkle Gestalt in der oft beschriebenen, gefürchteten Tracht. Der Schreck darüber entlockte ihr den lauten Schrei.
„Herrgott! Dera Samiel!“
Da fuhr der Bastian blitzschnell herum. Er erblickte die beiden und erkannte sie auf der Stelle.
„Die Martha!“ rief er aus, indem er rasch einige Schritte auf die beiden zutrat.
Die Bäuerin, anstatt zurückzuweichen und sich einen anderen Ausweg zu suchen, trat sofort auch aus dem Stall heraus.
„Noch einer!“ schrie Martha auf.
„Dera Fritz!“ entfuhr es der Bäuerin. „Also doch!“
Damit hatte sie sich verraten; aber Fritz wußte auch ohnedies, daß er seine Herrin und seinen Mitknecht vor sich hatte. Martha umschlang ihn in ihrer Angst und legte den Kopf an seine Brust.
„Hilf mir, Fritz, hilf mir!“ stammelte sie.
„Hab keine Angst!“ antwortete er. „Bei mir bist sicher.“
Der Bastian lachte höhnisch auf. Er konnte Fritz nicht leiden, wie ja die Tugend stets von der Sünde gehaßt wird. Jetzt hatte er Gelegenheit, ihm eins auszuwischen.
„Sicher beim Fritz, bei dem Lausbub!“ rief er aus. „Dirndl, du mußt mein werden.“
Er sprang herbei und griff nach ihr.
„Zurück!“ donnerte Fritz ihm entgegen.
„Hund, was hast mir zu befehlen!“ entgegnete Bastian.
Er riß den Totschläger unter der Jacke hervor und holte zu einem fürchterlichen Schlag aus. Hätte dieser Hieb getroffen, so wäre Fritz sofort eine Leiche gewesen.
Der wackere Bursche aber war schneller als sein Feind. Er schlug diesem mit blitzartiger Geschwindigkeit die Faust mit solcher Gewalt in das Gesicht oder vielmehr an die vor das Gesicht befestigte Larve, daß Bastian mit einem lauten Wehschrei zusammenbrach.
Das brachte die Bäuerin zur augenblicklichen Energie. Sie hatte Fritz hier bei Martha getroffen; er war für sie verloren, denn er liebte dieses Mädchen. Warum sollte sie ihn schonen? Es galt, sich des niedergeschmetterten Bastians anzunehmen.
„Verdammter Kerl!“ kreischte sie auf, so daß man aus ihrer Stimme leicht erraten konnte, daß der Samiel ein Frauenzimmer sei. „Das sollst mir sehr büßen.“
Sie drang mit beiden Fäusten auf Fritz ein, während Bastian sich langsam vom Boden erhob. Fritz lacht laut auf und rief:
„Seit wann kämpfen denn Katzen gegen den Bären. Weich fort, sonst zerbrech ich dir die Krallen!“
Er schleuderte sie von sich. Anstatt aber zur Besinnung zu kommen und zu bedenken, daß sie aus einem Kampf mit ihm unmöglich als Siegerin hervorgehen könne, wendete sie sich wieder zurück. Sie fuhr mit der Hand in die Tasche. Der Lauf ihres Revolvers glänzte im Mondesstrahl.
„Das hast für die Katz, du Hundekerl!“ rief sie.
Der Schuß krachte.
Sobald Martha die Waffe erblickte,
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