71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
empor. Dann hielt er die Zitternde fest, brachte seinen Mund nahe an ihr Ohr und schrie:
„Wo ist die Lampe?“
„Ich habe sie in die Ofenröhre versteckt. Tut mir aber nix. Ich bin eine alte Frauen und hab weder Geld noch Kind noch Kegel.“
Jetzt holte Martha die Lampe aus dem Ofen und Fritz brannte sie an. Als die Alte nun beim Licht die Anwesenden erkannte, schlug sie die Hände zusammen und rief:
„Was, ihr seid's? Ich hab denkt, die Samielen sind's.“
„Was weißt du denn von denen?“ rief Fritz ihr in das Ohr.
„Ich hab sie sehen. Ich wollt mal hinausgehen, und als ich die Tür aufimachen tat, da waren's grad an derselbigen vorüber und stiegen die Treppe empor. Da hab ich die Türen wieder leise zumacht, die Lampe auslöscht und in den Ofen stellt und mich unter die Kartoffelsäcken verkrochen. Wo sind's hin?“
„Fort.“
„Habens was stohlen, raubt oder gar dermordet?“
„Wollen erst sehen.“
„Du mein Herrgottle, welch ein Schreck! Wann ich nicht mein Lied habt hätt, was ich immer hersagt hab, so wär ich vor Angst vergangen. Ich will's nur gleich noch einmal hersagen.“
Sie kauerte sich in die Ecke auf ihre Säcke nieder und begann von neuem zu beten.
Martha hatte große Lust, sie auszuzanken, aber der Gedanke an den verwundeten Geliebten ließ sie nicht dazu kommen.
Fritz mußte die Jacke, die Weste ausziehen. Das Hemd war ganz blutig. Es wurde an der linken Seite aufgeschnitten. Da zeigte es sich, daß er einen Streifschuß erhalten hatte, grad in der Höhe des Herzens. Wenn Martha ihn nicht im Augenblick des Schusses an sich gerissen hätte, wäre ihm die Kugel durch das Herz gegangen.
Als er das sah, biß er die Zähne zusammen und sagte:
„Also totschossen sollt ich werden! Ah! Nun hab auch ich kein Derbarmen!“
„Mit wem?“ fragte der Offizier.
„Mit dem Samiel.“
„Kennst du ihn denn? Hast du denn bisher Erbarmen mit ihm gehabt?“
Fritz sah ein, daß er unvorsichtig gewesen war. Er antwortete:
„Ich hab meint, daß ich kein Derbarmen haben werd, wann er mir nochmals so wie am heutigen Abend in die Hände läuft.“
„Ach so! Na, dieses Mal bist du noch gut weggekommen. Es wird zwar sehr schmerzen; die Kugel hat ein tüchtiges Stück Fleisch aufgerissen, aber lebensgefährlich ist's nicht, obgleich du ein tüchtiges Wundfieber bekommen wirst.“
„Daraus mach ich mir nix. Dera Samiel wird mir das Fieber und auch die Schmerzen aus seinem eigenen Beutel bezahlen. Nun möchte ich aber wissen, was er gewollt hat.“
„Wer weiß es!“ antwortete der Graf ausweichend. „Ich kann mich Ihrer Ansicht nicht anschließen.“
Fritz beachtete die Zweifel des Grafen nicht. Er sann einige Minuten nach, dann gab er seinen Gedanken Ausdruck.
„Also zur Treppe empor sind's gegangen. Wohin aber?“
„Mein Gott!“ rief Martha, welche eifrig beschäftig war, den Geliebten zu verbinden, „da fallt mir ein, daß dera Oheim ein gar großes Geldl aus der Stadt bracht hat. Das werden's doch nicht holt haben?“
„Wo liegt's?“ fragte Fritz.
„Im Oheimen seiner Stuben oben, im Gewehrschrank. Da wo der Herr Graf schlief.“
Der Bursche blickte den Offizier forschend an und fragte:
„Sind's heut abend stets daheim gewest?“
„Ja.“
„Und dera Samiel ist nicht zu Ihnen hinein kommen?“
„Nein.“
„Das wissen's bestimmt?“
„Ganz bestimmt. Erst als ich Martha unten rufen hörte, habe ich das Zimmer zum erstenmal verlassen.“
„Hm! Man möcht sich beinahe mal den Gewehrschrank anschauen!“ bemerkte Fritz auf die Erklärung des Grafen.
„Das können Sie tun. Gehen Sie, wenn der Verband angelegt ist, mit hinauf.“
Als Försternichte war Martha mit der Behandlung einer Wunde so ziemlich vertraut. Bald war der Verband angelegt und dann begab sich Fritz mit Martha hinauf in die Stube. Es zeigte sich hier nicht die geringste Spur, daß Einbrecher hier gewesen seien, und auch das Schloß des Gewehrschranks ließ keine Gewalttätigkeit vermuten. Der Graf blieb bei seiner Behauptung, daß er von gar nichts wisse.
Fritz drang darauf, daß sofort alle Räume untersucht würden. Auch das war vergebens. Es fehlte nicht das mindeste, und so konnte man nur annehmen, daß die beiden Samiels zwar eingedrungen seien, um irgendeine Untat zu verüben, aber durch ein Hindernis davon abgehalten worden waren, ohne in das Zimmer eingedrungen zu sein.
Mit dem Resultat, welches ihn aber keineswegs befriedigte, begab Fritz sich auf den Heimweg. Er dachte über alles
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