711 N. Chr. - Muslime in Europa
sich nicht für die Nöte des Sassanidenkönigs. An seinem Zufluchtsort bei Merv wurde Yazdegerd im Jahre 651 ermordet.
|34| Die Justinianische Pest
Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten brachten die Muslime das sassanidische Großreich zu Fall und rissen weite Teile des byzantinischen Imperiums im Vorderen Orient wie auch in Nordafrika an sich. Die Gründe für diesen Triumphzug, der sich in seinen Ausmaßen und seiner Geschwindigkeit wohl nur mit den Eroberungen Alexanders des Großen im 4. Jahrhundert vor Christus vergleichen lässt, sind vielschichtig und werden hinsichtlich ihrer Gewichtung noch immer diskutiert. Neben innenpolitischen Problemen und den zermürbenden Kämpfen der beiden Großreiche untereinander wird als wesentlicher Faktor des muslimischen Erfolgs immer wieder die Justinianische Pest genannt.
Die Seuche brach im Jahre 541 während der Herrschaft des byzantinischen Kaisers Justinian (527–65) in Ägypten aus. Ob es sich dabei tatsächlich um die gefährliche Infektionskrankheit handelte, die in der Medizin heutzutage Pest genannt wird, lässt sich allein auf Grundlage schriftlicher Berichte nicht zuverlässig entscheiden. Dass der Erreger – das 1894 von dem Schweizer Alexandre Yersin und etwa zeitgleich von dem Japaner Shibasaburo Kitasato entdeckte Bakterium Yersina Pestis – in einer möglicherweise aggressiveren Form bereits im Mittelalter existierte, ist unlängst durch paläopathologische Untersuchungen bewiesen worden – allerdings erst für die Zeit Mitte des 14. Jahrhunderts. Für das Frühmittelalter stehen ähnliche Nachweise bislang noch aus. In den Beschreibungen zeitgenössischer Geschichtsschreiber lassen sich allerdings deutliche Gemeinsamkeiten mit dem heute bekannten Erscheinungsbild der Pest erkennen: Sie berichten von Lähmungen und Fieberschüben, begleitet von Halluzinationen und Albträumen. Hinzu kamen die charakteristischen Blutungen unter der Haut, Drüsenschwellungen im Bereich der Achseln oder der Leiste und Gelenkschmerzen. Prokop von Caesarea zufolge starben viele schon wenige Stunden, nachdem die ersten Zeichen einer Erkrankung bei ihnen aufgetreten waren.
|35| Im Frühjahr 542 erreichte die Justinanische Pest die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel. Bis zum Winter 543 dehnte sie sich über das gesamte Gebiet des Oströmischen Reiches aus. Im Osten hatte sich die Seuche ihren Weg bis nach Aserbaidschan gebahnt und war im Westen über Nordafrika bis zur Iberischen Halbinsel vorgedrungen. Entlang der Flussläufe verbreitete sie sich ins Innere Europas und forderte zahlreiche Opfer, so in den Bischofsstädten Reims und Trier. Der merowingische Chronist und Bischof Gregor von Tours schildert in seinem Werk eindrucksvoll die Angst, die das unerklärbare Massensterben verursachte. Obwohl Kaiser Justinian die Seuche im März 544 für erloschen erklärte, griff sie bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts in Abständen von zehn bis fünfzehn Jahren in allen betroffenen Gebieten immer wieder um sich. Mindestens einer dieser neuerlichen Ausbrüche ereignete sich im Umfeld der islamischen Eroberungszüge während der 630er Jahre.
Die muslimischen Geschichtsschreiber erwähnen eine große Epidemie im Sassanidenreich, die besonders das Gebiet um die Hauptstadt Ktesiphon heimsuchte, und zwar im 6. Jahr der Hedschra, dem Jahr 627/28 christlicher Zeitrechnung. Der arabische Chronist as-Suyuti will von einem neuerlichen Ausbruch der Seuche wissen, die er bezeichnenderweise »Pest des Yazdegerd« nennt. In anderen Schriftzeugnissen wird diese auch »Pest von Amwas« genannt. Es steht demnach fest, dass die Seuche das Sassanidenreich wie auch das Byzantinische Reich mehrfach traf und eine unbekannte Zahl an Opfern forderte. Auch die Muslime lernten die schreckliche Wirkung der Justinianischen Pest auf ihrem Feldzug durch Palästina und Syrien kennen. Während ihres Eroberungszuges trat die Seuche bei Amwas – dem antiken Emaus, zwischen Lod und Jerusalem gelegen – plötzlich im muslimischen Heer auf. Innerhalb kürzester Zeit raffte sie zahlreiche Krieger Allahs dahin. In dieser Situation |36| rief Kalif Omar seinen Feldherrn zurück. Dem Bericht des Chronisten at-Tabari zufolge weigerte sich Abu Ubaydah jedoch standhaft, dem Befehl des Kalifen Folge zu leisten. Daraufhin brach Omar nach Syrien auf. In Sargh, einem kleinen Ort nahe der Stadt Tabuk im Nordwesten des Hidjaz, traf er mit seinem Feldherrn zusammen. Man rief die Heerführer zur Beratung zusammen.
Die Gründe für
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