711 N. Chr. - Muslime in Europa
Syrien, war ein Verwandter des ermordeten Kalifen Othman. Er verweigerte Ali die Gefolgschaft. Auch Aischa, die einflussreiche Witwe Mohammeds, wandte sich gegen Ali. Die Machtkämpfe mündeten in einen Bürgerkrieg. Die Spaltung der muslimischen Gemeinschaft wurde unausweichlich, nachdem Ali im Jahre 661 mit einem vergifteten Schwert vor der Moschee von Kufa getötet worden war. In den Augen seiner Anhängerschaft, der
schi’at Ali
, waren |27| allein seine Blutsverwandten oder die des Propheten rechtmäßige Kalifen. Die Schiiten betrachteten Alis Nachfolger, die sogenannten Imame, als einzig wahre, unfehlbare und von Allah rechtgeleitete Oberhäupter der Gemeinschaft aller Gläubigen. In der Folgezeit bildeten sich unterschiedliche Strömungen innerhalb der Schia aus. Im Mittelpunkt der jeweiligen Orientierung steht dabei die Überzeugung, dass ein bestimmter Imam der letzte anerkannte Nachfolger Alis sei. Unter anderem ist damit auch der Glaube an einen entrückten Imam verbunden, den Mahdi, der eines Tages wie ein Erlöser zurückkehrt. Die weitaus größte Gruppe der Muslime blieb jedoch dem Brauch (arab.
Sunna
) treu, wonach ein Kalif durch die Bestätigung der Gemeinschaft legitimiert wurde. So erkannten die Sunniten fortan Mu’awija als den einzig rechtmäßigen Kalifen an. Dieser begründete die Dynastie der Omaijaden, die bis zu ihrer Entmachtung durch die Abbasiden im Jahre 750 über den größten Teil der riesigen islamischen Welt herrschten.
Obwohl die Schiiten zu allen Zeiten eine Minderheit blieben, spielten sie in der islamischen Geschichte als Machtfaktor mitunter eine große Rolle. Allen voran wohl die Fatimiden, die von Ägypten aus zwischen dem Beginn des 10. und der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts das große Gebiet von Syrien bis nach Marokko beherrschten und einen eigenen Kalifen erhoben. Die meisten Schiiten leben heute im Iran und im Irak. Demographisch bedeutende Gruppen finden sich im Libanon, in Aserbaidschan, Afghanistan, Kuwait, Pakistan, Syrien, Indien und Saudi-Arabien. Die Angaben über ihren Anteil an der gesamten muslimischen Glaubensgemeinschaft schwanken stark und bewegen sich im Allgemeinen zwischen mindestens zehn bis höchstens 25 Prozent.
|29| Sturm über der Wüste
Syrien, Herbst 633. Ungeachtet der Spaltung, welche die Gemeinschaft der Gläubigen, die
umma,
schon bald nach dem Tod Mohammeds erlebte, ging die muslimische Expansion unaufhaltsam weiter. Der Gegner leistete jedoch deutlich mehr Widerstand als erwartet. Abu Bakr war mit einem starken Heer nach Norden aufgebrochen und ins Byzantinische Reich nach Syrien vorgestoßen. An ihrer gottgewollten Mission hegten die Muslime keinerlei Zweifel. Ziel des Feldzugs war es, so große Gebiete wie möglich zu erobern, um dem Glauben an Allah und seinen Propheten gleichsam das Tor zu öffnen. Unter der programmatischen Bezeichnung »die Öffnung«,
futuh,
ging der schier unersättliche Expansionshunger der Wüstenkrieger in die islamische Geschichte ein. Nun, mehr als ein Jahr nach dem Tod des Propheten, war noch nicht abzusehen, welch beispiellose Triumphe den Anhängern des neuen Glaubens beschieden sein würden. Nichts deutete darauf hin, dass die Muslime binnen Kurzem ein Weltreich errichten würden.
Die ersten bewaffneten Zusammenstöße mit dem Feind verliefen alles andere als vielversprechend. Abu Bakr, der treue Weggefährte des Propheten, erinnerte sich noch gut daran, wie die Byzantiner das muslimische Heer vor kaum vier Jahren zurückgeschlagen hatten. Jetzt war es kaum anders. Zwar gelang es dem Kalifen, kleinere byzantinische Verbände zu schlagen, doch es kostete viel Mühe. Er sah sich sogar gezwungen, seinen Feldherrn Halid ibn al-Walid, der im Süden des heutigen Iraks operierte, auf raschen Entsatz zu drängen. Nun erst vermochte er die vor Ort stationierten byzantinischen Truppen in die Knie zu zwingen. Der Entlastungsangriff von Kaiser Herakleios kam zu spät. Bei Adschnadain schlugen die Muslime am 30. Juli 634 das kaiserliche Heer. Unter Führung von Halid ibn al-Walid und Amr ibn al-As bahnten sie sich ihren Weg weiter in das Landesinnere. Kaum einen Monat nach dem Sieg über die Byzantiner, im August, starb Abu Bakr in Medina. Er fand seine letzte Ruhe an der Seite des Propheten.
Unter der Herrschaft des zweiten Kalifen, Omar (gest. 644), wurde die muslimische Expansion vorangetrieben. Nach der Niederlage der Byzantiner bei Adschnadain waren die syrischen |30| Städte den Muslimen weitgehend
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