72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
schleppen. Das duld ich nicht!“
„Er hat sie noch gar nicht!“
„Ach so! Wer hat sie denn?“
„Das weiß ich noch nicht genau. Ich such den Kerl. Ein Jude wird es wohl sein.“
„Ein Jude? Den hau ich so lang, bis ein Türke aus ihm wird, und zwar ein blauer!“
Er rannte abermals nach der Tür, besann sich aber, blieb stehen und fragte:
„Wie heißt er denn?“
„Baruch Abraham.“
„Und wo wohnt er?“
„Im Gefängnis.“
„Im Gef – Donnerwetter! Treibst wohl dein Spiel mit mir, alter Sepp?“
„Das fällt mir gar nicht ein. Aber läßt du mich denn zu Wort kommen?“
Er hatte ganz recht mit dieser Frage. Es war blitzschnell Wort auf Wort gefallen. Der Fex war vor Entzücken, von der so lange vermißten Geliebten etwas zu hören, ganz aus dem Häuschen geraten. Jetzt zürnte er:
„Wer ist denn daran schuld?“
„Du doch!“
„Nein, du! Du gibst mir den Trank nur tropfenweise ein, und ich will doch gleich alles wissen.“
„Wann ich dir alles in Kürze sag, so zerplatzt ganz gewiß in tausend Stücke.“
„Versuch's einmal!“
„Also will ich's kurz machen: Es hält sie einer gefangen, um sie nach Kalifornien unter die Goldgräber zu verkaufen.“
Einen Augenblick lang starrte Fex den Alten an, dann sprang er auf ihn zu, packte ihn bei der Gurgel und schrie:
„Du, sag das noch einmal! Da erwürg ich dich!“
Der Sepp mußte alle seine Kraft aufbieten, den jungen, starken Menschen von sich abzubringen. Dann rief er halb lachend und halb zürnend:
„Hab ich's nicht sagt, daßt gleich in tausend Stücke springen wirst, du Haderlump du!“
„Was sagst, Haderlump?“
„Ja! Willst etwa nicht deinen besten Freund derwürgen? Mich, den alten Wurzelsepp?“
„Ja, dich hab ich doch grad nicht meint!“
„So? Wen denn?“
„Den, der sie verkaufen will.“
„Warum packst ihn denn an meiner Gurgel? Pack mich doch an der seinigen!“
„Wo steckt er denn?“
„Werd ich dir schon zeigen.“
„So komm!“
Er ging wieder nach der Tür.
„Bleibst gleich da!“ rief der Alte. „Wie viele Male willst denn eigentlich fort?“
„Das fragst auch noch? Herrgottle, Sepp, siehst denn nicht ein, daß ich vor Ungeduld vergeh?“
„So nimm dich zusammen und beherrsche dich! Damit kommst nicht weiter. Geh her! Setz dich zu mir! Ich will dir alles erzählen.“
„Gut; aber schnell!“
Martha hatte den Sepp begrüßt und seitdem keine Gelegenheit gefunden, nur ein einziges Wort zu sagen. Jetzt nahm sie den Fex bei der Hand, zog ihn auf das Sofa und bat:
„Fex, ich bitt dich gar schön: hör ihn an!“
„Das will ich wohl“, antwortete er. „Aber in fünf Minuten muß er fertig sein.“
„Sei kein Talk!“
„Wie? Wannst nun du verkauft werden solltest, und dein Max tät sich hinsetzen –“
„Fex!“ rief sie bittend.
„Ach so! Ja, das hatt ich vergessen, daß man zu dir von dem nicht reden darf. Na, Sepp, ich will mir Mühe geben, still zu sein. Da sitz ich, und nun fang an zu verzählen.“
„So? Bist wirklich still?“
„Ja.“
„Das ist sehr gut. Da werd ich nun grad nicht verzählen.“
Er stand auf. Der Fex sprang zornig auf ihn zu, ergriff ihn am Arm und rief:
„Du, Alter, wannst noch einen Funken ins Pulver wirfst, da platzt es halt!“
„So werf ich keinen. Weißt, hier ist nicht der Ort dazu. Komm mit hinunter in meine Stuben. Da ist noch einer, der dir alles viel besser verzählen kann, als ich.“
„Wer?“
„Wirst's sehen. Komm!“
„Soll ich auch mitgehen?“ fragte Martha.
„Nein. Bleib nur. Ich schick dir was herauf.“
„Oh, ich brauch nix.“
„Das, was ich dir senden werd, kannst schon gut gebrauchen. Paß mal auf!“
Er nahm den Fex bei der Hand und zog ihn fort.
„Du“, sagte er unterwegs, „rat mal, wenst bei mir treffen wirst?“
„Ich weiß es nicht.“
„Den Elefanten-Hans und –“
„Und den Max?“ fragte der junge Mann schnell.
„Wie kommst du auf den?“
„Wo der Hans ist, da ist der Max auch.“
„Da hast recht. Sie sind da, auf meinem Zimmer.“
Als die beiden unten eintraten, hatte noch immer niemand an ihn gedacht. Max, Hans und Anita hatten sich über den Juden unterhalten und waren so ganz bei der Sache gewesen, daß sie gar keine Zeit gefunden hatten, sich auf den Zehn-Uhr-Zug zu besinnen und auf den, der mit demselben kommen sollte.
Desto herzlicher war jetzt die Begrüßung. Anita hatte sich bei seinem Eintritt sogleich in ihr Zimmer zurückgezogen. Ihr natürliches Zartgefühl
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