72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
bekommt, weil sie Ihnen widerstrebt.“
„Das ist eine gewaltige Lüge!“
„Gut für Sie, wenn es so ist. Das Mädchen soll da oben stecken, links vom Söllereingang.“
Der Jude begann zu husten.
„Ich sage Ihnen, Herr, daß dies ein Roman ist, den man sich hat ausgesonnen.“
„Das will ich wünschen um Ihretwillen. Halten Sie das Mädchen fest, wenn sie bei Ihnen ist. Man will sie haben. Und nun sind wir endlich fertig.“
„Gute Nacht, Herr!“
Sie gaben sich die Hand, und dann ließ der Jude den Sepp hinaus auf die Gasse.
„Dich hab ich halt fest, alter Spitzbub!“ sagte der Sepp für sich hin, als er in das Seitengäßchen einbog. „Dir werd ich die Diamanten abkaufen!“
An dem betreffenden Gartenzaun angekommen, ließ er ein halblautes „Pst!“ hören und sogleich kamen die beiden jungen Freunde mit Anita herbei.
„Bist lange gewesen, sehr lange!“ sagte Max.
„Hab nicht dafür könnt. Es ist nicht möglich gewest, eher fertig zu werden. Wie steht's denn mit dem guten Dirndl? Hat's die Kleidern antan?“
„Ja. Treten Sie näher, Fräulein! Hier ist unser lieber Freund, welcher uns bei Ihrer Befreiung unterstützt hat und Sie nun unter seinem Schutz halten will!“
Sie hielt dem Sepp ihre Hand entgegen und wollte in einen Dankeserguß ausbrechen. Der Alte aber fiel ihr, indem er ihr die Hand herzlich schüttelte, in die Rede:
„Seiens still, liebes Kind. Sie haben für gar nix zu danken. Wann 'S ein klein wenig freundlich zu mir sind, so bin ich belohnt genug. Kennen 'S denn auch bereits meinen Namen?“
„Wir haben noch nicht von ihm gesprochen.“
„Das ist gut. Ich bin nämlich dera Hauptmann Josef von Brendel aus München in Bayern, und Sie sind meine Enkeltöchtern, wenn jemand fragen sollt.“
„Herr Hauptmann. Sie sind –“
„Pst! Nicht so! Sie haben nur Großvater zu mir zu sagen und wann 'S gar nobel sein wollen, so sagens Großpapa, auch wann wir allein miteinander sind. Wollen 'S?“
„Wie gern!“
„Und auch du mußt mich nennen, nicht Sie. Wollen 'S doch gleich mal versuchen. Sag mal, Anita, willst mich alten Kerlen ein bißle liebhaben?“
„Ich habe dich schon jetzt lieb, Großpapa!“
„Herrlich! So hat dera alte Knaxer auf einmal gar eine lieb gute Enkelin erhalten. Sollst's gut haben bei mir. Jetzt gib mir dein Patscherl! Ich werd dich führen. Die Buben mögen hinterher kommen.“
Er ergriff ihre Hand und führte sie fort. Als sie eine größere Straße erreichten, in welcher Lampen brannten, überflog er ihre Gestalt mit prüfendem Blick.
„Die Kleider passen gut“, sagte er befriedigt. „Jetzund werden's im Hotel keine Ahnung haben, daß meine Enkelin einem Juden ausgerissen ist. Aber so dürfen wir nicht kommen, sondern wir müssen's vornehmer machen.“
Er schritt auf einen an der Ecke haltenden Fiaker zu und stieg ein, mit ihm natürlich die andern drei.
Als sie dann am Hotel vorfuhren, waren die Fenster desselben erleuchtet. Der Portier kam herbeigesprungen, um beim Aussteigen behilflich zu sein.
Die vier Leute begaben sich nach Sepps Zimmer, an welches dasjenige Anitas stieß. An beide stießen Schlafkabinetts. Er zeigte dem Mädchen die auf dem Tisch noch eingepackt liegenden Kleidungs- und Wäschestücke und erklärte:
„Da hast noch, wast weiter brauchst. Wann ich jetzt wieder fort bin, kannst dich anziehen. Aber nun möcht ich auch gern mal dein Gesichtle sehen. Willst's deinem Großvater zeigen?“
Sie nahm den Schleier ab. Er sah ihr schönes, vor Verlegenheit erglühendes Gesicht und sagte:
„Sapperment, hab ich eine hübsche Enkelin! Da kann ich fein stolz sein. Na, grüß dich Gott, liebes Dirndl. Wollen gute Freundschaft halten. Nicht wahr?“
„Ja“, hauchte sie, indem er sie leise an sich zog und sie auf die Stirn küßte.
Sie fühlte, daß sie den alten Mann schon jetzt so liebhabe, als ob er wirklich ihr Verwandter sei.
Da er vom Fortgehen gesprochen hatte, fragte Max:
„Du sagst, daßt nicht dableiben willst. Ist's wahr?“
„Ja. Und du sollst mit.“
„Wohin?“
„Auf eine Entdeckungsreise. Ich werd's dir unterwegs erzählen.“
„Also soll Anita allein hier sein?“
„Nein, Johannes bleibt bei ihr, bis wir wiederkommen. Ich denk, da wird ihnen die Zeit nicht lang werden. Wann Anita den Regenmantel ablegt und das Kleid anzogen hat, mag er ein Nachtmahl für sich und sie herauf ins Zimmer bestellen. Um welche Zeit wir wiederkommen, das weiß ich nicht, aber vor Morgen jedenfalls.“
„Und
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