72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
ja!“
Dabei aber machte er ein Gesicht, als ob er ein ganzes Faß saurer Gurken im Mund habe.
„Und können Sie grüßen?“
Ein abermaliges Nicken.
„Zum Donnerwetter! Reden Sie doch!“
„Ja“, brachte er hervor.
„Und grüßen Sie! Sofort, sonst schmeiße ich Sie hinaus!“
Der Lieblingsschüler machte eine Verneigung.
„Und nehmen Sie die Daumen aus dem Knopfloch heraus! Was ist das für eine Manier, Sie Dummkopf! Können Sie nicht eine höfliche Haltung annehmen!“
Das war so abgedonnert, daß der Mensch den Hut fallen und die Hände sinken ließ.
„So! Und wenn Sie wieder mit ihren ewigen und unzähligen Fingern anfangen, Klavier zu spielen, so schlage ich den Takt dazu. Merken Sie sich das!“
Der berühmteste Maler Italiens wagte es nicht, ein Wort zur Verteidigung seines Jüngers zu sagen. Zu ihm wendete sich Sepp jetzt zurück:
„So nun weiß ich, wer Sie sind. Aber was wollen Sie denn bei mir?“
„Ich suche meine Nichte.“
„Ihre Nichte? Bei mir?“
„Ja.“
„Wie kommen Sie auf diese Idee?“
„Ich habe erfahren, daß sie da ist.“
„Ach so! Wer hat es Ihnen denn gesagt?“
„Zwei gute Freunde.“
„Wie soll denn Ihre Nichte zu mir gekommen sein?“
„Das wollte ich von Ihnen erfahren.“
„Ach so! Wenn ich nun sage, daß sie sich gar nicht bei mir findet?“
„Das glauben wir nicht!“
„Haben Sie sich denn so genau erkundigt?“
„Der Kellner sagte zwar, die Dame, die sich bei Ihnen befindet, sei Ihre Enkelin, aber das müßten Sie uns erst beweisen.“
„Mensch, was fällt Ihnen ein! Ihnen habe ich gar nichts zu beweisen! Sie wären mir der Kerl dazu.“
Jetzt glaubte der Maler, auch ein Wort sagen zu müssen. Er nahm eine drohende Haltung an:
„Signor, bitte, vergessen Sie nicht, wen Sie vor sich haben! Ich bin einer der hervorragendsten Künstler der Halbinsel!“
„Das machen Sie mir nicht weis! Was für ein Kerl Sie sind, das sieht man da an Ihrem Lieblingsschüler. Das ist ja der reine einmarinierte Storchschnabel! Und Sie haben eine Gestalt und ein Gesicht, als hätte Ihre Frau Mutter Ihnen in den ersten Lebensjahren Quark in die Windeln gelegt. Und Sie nennen sich einen berühmten Maler und hervorragenden Künstler!“
„Der bin ich allerdings!“
„Halten Sie sich dafür! Meinetwegen! Aber ich bin überzeugt, daß Sie keinen Floh mit grüner Ölfarbe anlackieren können! Und Ihre Nichte suchen Sie bei mir? Was wollen Sie denn machen, wenn ich sie wirklich da habe?“
„Sie muß mit.“
„Ach so! Warum ist sie denn fort?“
„Aus Liebe.“
„Aus Liebe? Wie meinen Sie das?“
„Sie wollte nicht lieben.“
„Sie wollte nicht lieben! Und das nennen Sie aus Liebe! Nun, ich will mich mit Ihnen nicht lange herumstreiten, denn es wird mir ganz schlimm zumute, wenn ich in Ihr Künstlergesicht blicke. Ich habe allerdings eine Dame bei mir, welche ich mit mir nehmen will. Wollen Sie sich dieselbe ansehen?“
„Ja.“
„So will ich Sie Ihnen zeigen.“
Er machte die Türe zum Nebenzimmer auf. Auf seinen Wunsch kam Anita herein.
„Das ist sie!“ rief der Maler.
„Ja –!“ rief auch der Lieblingsschüler.
Es war dies das erste freiwillige Wort, welches er hören ließ.
Sepp hatte sich alle Mühe gegeben, Anita über diesen Besuch zu beruhigen; aber sie hatte dennoch Angst. Die Grausamkeiten, die sie hatte erdulden müssen, standen noch hell in ihrem Andenken.
Ihr Oheim trat auf sie zu und sagte in strengem Ton:
„Du bist uns entflohen, du wirst sofort wieder mit uns gehen.“
Er streckte die Hand nach ihr aus. Sepp aber schob ihn kräftig zurück und sagte:
„Nur langsam! Diese Dame nennt sich allerdings Anita Ventevaglio. Sie geben sich denselben Familiennamen, aber ich weiß nicht, ob Sie das Recht dazu haben.“
„Warum sollte ich nicht?“
„Sie können ja den Namen nur angenommen haben. Es ist nicht der Ihrige!“
„Es ist der meinige.“
„Beweisen Sie es!“
„Anita kann es mir bezeugen!“
„Die will ich nicht dazu auffordern.“
„So habe ich meinen Paß.“
„Heraus damit!“
Der Maler brachte eine dick mit Papieren gefüllte Brieftasche hervor und zog seinen Paß aus derselben.
Sepp las ihn und sagte achselzuckend:
„Da steht allerdings Ihr Name, Ihr Wohnort und Ihr Signalement. Das genügt aber nicht.“
„Es muß genügen.“
„Wenn ich Ihnen sage, daß es mir nicht genügt, so haben Sie zu schweigen! Verstanden? Sie mögen derjenige sein, für den Sie sich ausgeben, ob Sie aber
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