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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dürfen Sie mir nicht kommen! Sie selbst sind es, der sich vor der Polizei zu fürchten hat. Sie wollen mich bestehlen!“
    Da aber kam er an den Unrechten. Kaum hatte er das letzte Wort gesagt, so klatschte eine gewaltige Ohrfeige, die ihm der Sepp applizierte, auf seiner Wange.
    „Mensch, da hast du die Antwort!“ rief der Alte. „Willst du mehr? Du kannst sie bekommen!“
    Der Maler hielt sich das Gesicht mit der Hand. Es flimmerte ihm vor den Augen.
    „Wa – wa – was!“ stotterte er. „Da – da – das war ja ei – ei – eine Ohrfeige!“
    „Ja, das war eine, nämlich die erste. Ich habe mehr solches Zeug im Vorrat, wenn du mir in dieser Weise kommst, du Halunke!“
    „Wa – wa – was! Auch du nennen Sie mich!“
    „Soll ich etwa einen, dem ich Ohrfeigen gebe, Seine Exzellenz nennen? Mach dich fort, Urian! Sonst klingle ich wirklich!“
    Jetzt sah der große Künstler ein, daß er auf die letzte Weise keinen Erfolg haben werde. Der Mut entsank ihm. Er sagte in weinerlichem Ton.
    „Ich kann doch nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Weil ich kein Geld habe.“
    „Arbeite! Dann verdienst du welches!“
    „Ich muß doch heim!“
    „So lauf schnell!“
    „Aber ohne Geld?“
    „Bettle dich durch, Urian.“
    „Ich? Einer der größten Maler Italiens?“
    „Mensch, hör auf. Wenn du ein Maler bist, so ist das Kamel der größte Tanzmeister. So ein Kerl wie du bist, nimmt, wenn er betteln geht, seiner Ehre gar nichts weg.“
    „Dio mio! Soll ich hungern!“
    „Du hast Anita auch hungern lassen.“
    „In dieser Gegend bekommen die Bettler nichts. Man jagt sie fort. Man prügelt sie!“
    „Sehr gut. Du hast Anita auch geschlagen.“
    „Da hatte sie es verdient.“
    „Lüge, schändliche Lüge! Du aber hast es verdient, daß man dich überall hinaushaut. Und grad weil du selbst jetzt noch behauptest, daß sie es verdient habe, weil du selbst jetzt deine Schändlichkeit nicht bereust, bist du doppelte Strafe wert. Ich wiederhole es. Wenn du am Nachmittag dich noch hier befindest, so lasse ich dich arretieren.“
    Der Schüler zupfte den Lehrer abermals heimlich.
    „Laß mich!“ sagte ihm dieser. „Wie wollen wir ohne Geld nach Hause kommen!“
    Das erbarmte Anita. Sie trat zu Sepp, legte ihm die Hand auf den Arm und bat:
    „Gib ihm etwas!“
    „So?“ antwortete der Alte zornig. „Also du bittest auch noch für deinen Peiniger?“
    „Er tut mir leid.“
    „Das ist Unsinn.“
    „Das ist doch mein Oheim. Bedenke das!“
    „Hm, ja. Dein Oheim ist er freilich. Die Bande des Blutes sind heilig, wenn sie auch von dem Kerl entweiht worden sind. Und daß du für den Halunken bittest, das ist ein Beweis, daß du ein herzensbraves Mädchen bist. Das werde ich dir nie vergessen.“
    Und zum Maler wendend, fragte er:
    „Hast du gehört? Du hast sie turbiert auf alle mögliche Art und Weise. Sie aber hat Mitleid mit dir. Tut dir das nicht in der Seele weh?“
    Der Gefragte antwortete nicht.
    „Wieviel brauchst du denn?“
    Jetzt war er sehr schnell mit der Antwort da:
    „Tausend Lire.“
    „Du bist tausendmal toll! Willst du etwa wie ein Fürst oder Graf reisen?“
    „Wir sind ja zu zweien!“
    „Der andere geht uns nichts an.“
    „Er ist ihr Bräutigam!“
    „Halte das Maul. Der Kerl hätte das Geschick, ein Bräutigam zu sein! Er macht ja ein Gesicht wie ein Frosch, der Schweizerpillen gefressen hat. Der hätte das Geschick dazu. Für diesen Menschen soll Anita, die du bestohlen hast, auch noch mit bezahlen? Das kann uns nicht einfallen. Ich werde einmal nachschauen.“
    Er nahm das Eisenbahnkursbuch zur Hand und begann zu rechnen. Dann sagte er:
    „Ich will dir das Herzeleid nicht antun, dich von deinem Lieblingsaffen zu trennen; also soll auch für ihn mit bezahlt werden. Ihr beide könnt ganz gut mit fünfzig Lire nach Hause kommen. Ich will aber nobel sein und euch hundert geben.“
    „Hundert!“ rief der Maler.
    „Ja. Ist's zu viel? Nicht wahr?“
    „Viel, viel zu wenig. Ihr habt uns ja beinahe fünfzehnhundert genommen.“
    „Von nehmen ist keine Rede. Das Geld gehört euch nicht. Entscheide dich schnell! Ich frage nur dieses eine Mal, dann aber nicht wieder. Willst du die hundert? Wenn du nicht sofort ja sagst, erhaltet ihr gar nichts.“
    „Ja“, antwortete der Maler schnell.
    Da er aber dabei bereits die Hand ausstreckte und auf den Tisch zutrat, schlug ihn der Sepp auf dieselbe und sagte:
    „So schnell geht das freilich nicht. Ganz umsonst kannst du das Geld nicht

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