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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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Gustavo.
    »Ich bin tot, wenn ich hierbleibe!«, sagte ich. »Diese Stelle hier ist unser Friedhof! Hier fasst der Tod alles an. Seht ihr das nicht? Ich spüre seine Hände auf mir! Ich kann seinen stinkenden Atem riechen!«
    »Nando, jetzt halt mal die Klappe und hör zu«, schrie Gustavo. »Du hast keine Winterausrüstung, du hast keine Klettererfahrung, du bist schwach, wir wissen nicht einmal, wo wir sind. Jetzt loszugehen, wäre Selbstmord. In diesem Gebirge wärst du innerhalb eines Tages tot!«
    »Gustavo hat Recht«, stimmte Numa zu. »Du bist noch nicht stark genug. Dein Kopf ist angeknackst wie ein Ei. Du würdest dein Leben wegwerfen.«
    »Wir müssen gehen!«, schrie ich. »Sie haben uns zum Tod verurteilt! Wollt ihr einfach hier warten, bis ihr sterbt?« Ich wühlte blindlings in dem Flugzeugrumpf und suchte nach irgendwelchen Dingen – Handschuhen, Decken, Socken -, die mir unterwegs von Nutzen sein konnten. Da sprach Marcelo mich leise an. »Was du auch tust, Nando«, sagte er, »du musst dabei auch an das Wohl der anderen denken. Sei klug. Vergeude dich nicht. Wir sind immer noch ein Team, und wir brauchen dich.« Marcelos Stimme klang gleichmütig, aber in ihr lag jetzt auch eine Traurigkeit, ein Gefühl von verletzter Resignation. Als er gehört hatte, dass man nicht mehr nach uns suchte, war irgendetwas in ihm zerbrochen, und es war, als habe er in manchen Augenblicken die Kraft und Zuversicht verloren, die ihn zu einem so vertrauenswürdigen Anführer machten.Wie er jetzt an der Wand des Passagierraumes lehnte, wirkte er klein und grau. Ich wusste, dass er immer tiefer in der Verzweiflung versank. Ich hatte großen Respekt vor ihm, und ich konnte nicht leugnen, dass seine Worte klug waren. Also nickte ich widerwillig und suchte mir neben den anderen einen Platz auf dem Kabinenboden.
    »Wir müssen alle die Ruhe bewahren«, sagte Gustavo, »allerdings hat Nando Recht. Wenn wir hierbleiben, werden wir sterben, also müssen wir früher oder später klettern. Aber wir müssen es so klug wie möglich anstellen. Wir müssen wissen, wogegen wir kämpfen. Ich würde sagen, zwei oder drei von uns klettern heute los.Vielleicht können wir einen Blick auf das werfen, was hinter diesen Bergen liegt.«
    »Das ist eine gute Idee«, stimmte Fito zu, »und unterwegs können wir nach dem Schwanz der Maschine suchen. Vielleicht sind darin noch Lebensmittel und warme Kleidungsstücke. Und wenn Roque Recht hat, enthält er auch die Batterien für das Funkgerät.«
    »Gut«, sagte Gustavo. »Ich gehe. Wenn wir uns bald auf den Weg machen, können wir vor Sonnenuntergang zurück sein. Wer kommt mit?«
    »Ich«, sagte Numa, der bereits den ersten Anlauf zur Besteigung des Berges im Westen überstanden hatte.
    »Ich auch«, setzte Daniel Maspons hinzu, einer der tapferen Burschen, die beim Zerlegen des Fleisches mitgeholfen hatten.
    Gustavo nickte. »Sehen wir zu, dass wir möglichst warme Kleidung finden, und dann los. Jetzt wissen wir, worum es geht, und da ist keine Zeit zu verlieren.«
    Gustavo brauchte noch nicht einmal eine Stunde, um das Unternehmen zu organisieren. Jeder Teilnehmer würde ein Paar der von Fito erfundenen Sitzkissen-Schneeschuhe anschnallen und bekam eine von den Sonnenbrillen, die Fitos Cousin Eduardo konstruiert hatte; er hatte dazu Gläser aus den getönten Sonnenblenden im Cockpit geschnitten und sie mit Kupferdraht verbunden. Mit den Schneeschuhen würden sie im weichen Schnee nicht einsinken, und die Brillen sollten auf den schneebedeckten Böschungen vor dem gleißenden Sonnenlicht schützen. Ansonsten verfügten sie kaum über entsprechende Kleidung. Sie trugen nur Pullover über leichten Hemden und dünne Sommerhosen. An den Füßen hatten sie leichte Mokassins. Die anderen würden in Segeltuchschuhen klettern müssen. Keiner hatte Handschuhe, und sie hatten auch keine Decken dabei; immerhin war gutes Wetter mit schwachem Wind, und die Sonne spendete so viel Wärme, dass die Gebirgsluft erträglich wurde. Wenn die Kletterer bei ihrem Plan blieben und vor Sonnenuntergang zur Fairchild zurückkehrten, durfte eigentlich keine Gefahr bestehen.
    »Betet für uns«, sagte Gustavo, als die drei sich auf den Weg machten. Wir sahen zu, wie sie über den Gletscher in Richtung der hohen Gipfel im Westen gingen, wobei sie in der Spur blieben, die das Flugzeug in den Schnee gepflügt hatte. Während sie sich in immer größerer Entfernung langsam bergauf bewegten, schienen sie kleiner und kleiner zu

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