760 Minuten Angst
unterschiedlichen, die allesamt eine andere bizarre, angsterschaffende Variation des Grauens darstellte, das sie hinter der Tür erwarten würde.
Plötzlich wurde ihr schlecht.
Stella wollte sich nicht übergeben. Nicht jetzt, nicht hier. Das war nicht sie. Stella hatte schon immer Wert auf ihr Äußeres gelegt, auch wenn dazu nicht viel nötig war. Sie war von Gott mit natürlicher Schönheit gesegnet worden und das wusste sie auch, ohne dadurch überheblich zu sein.
Zwar ließ sie sich schon mal gehen und zu Verrücktheiten überreden, aber dennoch gab es Dinge, die sie niemals tun würde. Und sich auf einem öffentlichen Gehweg zu übergeben, gehörte definitiv dazu. Soweit würde Stella nicht sinken. Niemals! Egal wie weit »C« sie auch treiben würde.
Sosehr sie die Übelkeit zuerst verabscheut und beschimpft hatte, sosehr hatte sie ihr auch geholfen. Ihre Abscheu dieser Reaktion gegenüber machte Stella klar, wer sie war und zu was »C« sie bereits gemacht hatte. Die Angst schien verschwunden oder zumindest verdrängt. Es musste genügen.
Die Eingangstür, die ihr zuvor noch so viele Schwierigkeiten bereitet hatte, stellte nun kein Hindernis mehr dar, genau wie die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung. Auch ihr Kopf schien befreiter. Es bildeten sich bereits Gedanken, die einen Sinn ergaben.
Jede hölzerne Stufe, die sie nahm, brachte sie näher zu ihrer Wohnung … und Katie. Ihr gebührten sämtliche Gedanken. Stella wusste nicht wieso, aber ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass etwas Schlimmes mit ihr passiert war. Und das Grauen befand sich noch immer in ihrer Wohnung!
Mit schnell pochendem Herzen kam Stella vor ihrer Wohnungstür zum Stehen, die wie schon die Eingangstür unten einen Spalt breit offen stand. Das verhieß definitiv nichts Gutes!
Stella wollte aufschreien, doch der Laut blieb ihr im Hals stecken. Sie wollte nach ihrer Freundin rufen, doch es bildete sich kein einziges Wort. Ihr war, als würde sich ihr Körper ganz bewusst widersetzen, als kannte er die Zukunft und wüsste, dass es eine verrückte Idee war, die Stimme zu erheben. Vielleicht hatte er Recht.
Was, wenn er sich in der Wohnung befindet? Was, wenn »C« gerade in diesem Moment Katie in seiner Gewalt hat und ich ihre einzige Rettung bin? Was, wenn genau diese wenigen Worte meinen Vorteil, so gering er auch sein mag, zunichtemachen würden?
Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn durch mein dummes Verhalten Katie etwas zustoßen würde. Ich muss aufpassen und alle meine Schritte genau überdenken. Ich darf keinen Fehler machen.
Doch darüber nachzudenken, war wesentlich einfacher, als es tatsächlich in die Tat umzusetzen, denn Stella hatte keinen blassen Schimmer, wie sie an diese Sache herantreten sollte, ohne alles gleich zu zerstören. Woher auch? Als ob sie schon jemals in einer solchen Situation gewesen wäre.
Und trotz allem blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu ergeben und mitzuspielen. Der einzige verlässliche Begleiter schien dabei ihre gute alte weibliche Intuition zu sein.
Also dann, lass mich bitte nicht im Stich.
Sie drückte sich durch den Spalt, wohlbedacht, weder den Rahmen noch die Tür zu berühren. Stella wusste, dass die Wohnungstür ab der Hälfte gern quietschte und genau dieses Geräusch konnte sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Stella schaffte es ohne Probleme.
Der Flur war leer.
Es waren keine Geräusche zu vernehmen, außer ihr stoßweises Atmen. Ihr Herz hämmerte regelrecht gegen ihre Rippen. Sie würde wohl die nächsten Tage mit Muskelkater der ersten Klasse zu rechnen haben, vorausgesetzt natürlich, sie überlebte diesen Tag.
Bis jetzt war Stella noch nicht einmal auf den Gedanken gekommen, dass auch sie bei diesem makabren Spiel sterben könnte. Ihre Omi, ja … Katie, vielleicht … aber sie selbst?
Ja, warum eigentlich nicht?
Sie schluckte die Angst hinunter und schritt voran. Es standen fast sämtliche Türen zu den übrigen Zimmern offen und dennoch trat nicht ein einziger Laut an ihre Ohren. Sie verstand das einfach nicht. Es war nicht … richtig .
Selbst wenn Katie nichts passiert ist, dann muss sie doch wenigstens in meiner Wohnung zu finden sein und dabei Geräusche machen. Und wenn »C« sie bereits erwischt hat? Aber dann muss doch er zu hören sein. Es kann doch nicht totenstill sein, es sei denn …
Sie war viel zu spät … oder Katie nie angekommen.
Nun setzte ihr Herz für eine Sekunde aus. Absolute Stille erfüllte die Wohnung, ehe ein Rums alles
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