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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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vor?
    Die Aussage war klar und gab keine Rätsel auf. Stella sollte ihr Gesicht in die Flüssigkeit der Schüssel tauchen, die sich wiederum im Waschbecken befand. Trotz näherer Betrachtung sah die Flüssigkeit wie herkömmliches Wasser aus. Doch Stella glaubte nicht daran, dass es nur Wasser war. Was hätte diese Prüfung sonst für einen Sinn?
    Es gab natürlich eine einfache Methode, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Wasser handelte, doch Stella verspürte keine Lust, es mit einem ihrer Finger herauszufinden. Auch ein Rundumblick gab kein Objekt frei, das ihr weiterhelfen würde. In diesem Punkt war »C« definitiv gründlich.
    Dann war es das also? Mir bleibt nichts anderes übrig, als meinen Kopf in diese Schüssel zu stecken und abzuwarten, was danach passiert? Bin ich »C« so ausgeliefert?
    Die Antwort lautete eindeutig … ja.
    Und so ergab sich Stella dem Willen des psychopathischen Spielleiters und trat an das Waschbecken heran. Mit beiden Händen stützte sie sich am Rand ab und sah kurz in den schmutzigen Spiegel, der verlassen an der Wand hing.
    Zum ersten Mal nach Beginn der Schnitzeljagd sah sich Stella im Spiegel und erschrak vor der Tatsache, dass sie die Frau darin kaum wiedererkannte. Es war nicht einmal der Schmutz, der ihr Gesicht veränderte, sondern vielmehr die Psyche, die gewaltige Furchen hinterlassen hatte.
    Stella kam sich vor, als würde sie durch den Spiegel ihr Ich in zwanzig Jahren betrachten. Nie im Leben konnte sie diese Person sein und doch ließ der Spiegel keinen Trugschluss zu. Sie war tatsächliche um Jahre gealtert und das in nur wenigen Stunden. Soweit hatte »C« sie gebracht und Stella hatte es geschehen lassen.
    So wie jetzt auch.
    Es passierte wie von selbst, dass sich Stellas Gehirn abschaltete und nur noch eine Funktion zuließ. Dabei handelte es sich um eine Bewegung, die merkwürdigerweise ohne Angst durchgeführt wurde. Es gab keinen Platz mehr für Gefühle … dachte sie zumindest.
    Doch als ihr Oberkörper sich nach unten neigte und es nur noch eine Frage von Sekunden war, bis ihr Kopf die Flüssigkeit erreichte, verstand Stella plötzlich, wie falsch sie lag. Denn egal wie schlimm sie sich diese Prüfung auch vorgestellt hatte, nichts war annähernd an die Schmerzen herangekommen, die sie nun erleiden würde.
    Dann tauchte ihr Gesicht in die farblose Flüssigkeit ein.
    Ein markdurchdringender Schrei durchstreifte das verlassene Einfamilienhaus.
    Sie war gebrochen.
    Mit zittrigen Händen führte er den zerknitterten Geldschein in den dafür vorgesehenen Schlitz des Automaten. Erst beim dritten Versuch akzeptierte dieser das Bargeld und warf dafür einen gültigen Fahrschein aus. Ben nahm ihn rasch an sich, ehe er das klimpernde Restgeld in der Hosentasche verschwinden ließ.
    In Gedanken versunken, setzte sich Ben und wartete auf den nächsten Zug, der ihn hoffentlich von diesem Alptraum fortbrachte. Das Ticket hielt er dabei fest mit beiden Händen umschlossen, als wäre es sein größter Schatz auf Erden. Und irgendwie war es das auch.
    Sonst war ihm nichts geblieben. Er hatte eine Frau getötet, indirekt das Leben seiner Mutter auf dem Gewissen und nun war er auf der Flucht vor der Polizei, »C« und vielleicht sogar vor sich selbst.
    Wenn Ben ehrlich zu sich war, konnte er nicht einmal sagen, ob er überhaupt noch lebte. Alles fühlte sich unwirklich und falsch an. Es gab nur noch dieses Ticket und die vage Hoffnung, vor allem fliehen zu können.
    Er wusste nicht mal mehr, wann dieser Wahnsinn eigentlich seinen Anfang gefunden hatte, doch nie hätte er sich heute Morgen vorstellen können, am Abend vor den Ruinen seines einstigen Lebens zu stehen. In nur wenigen Stunden hatte alles ein Ende gefunden.
    Ben war vollkommen allein.
    In dem Moment meldete sich das rote Handy zu Wort und obwohl Ben den nervtötenden Klingelton vorher noch nie gehört hatte, wusste er sofort, dass es ein Anruf von »C« war. Indirekt hatte er bereits darauf gewartet. Eine unausweichliche Konsequenz.
    Nun musste er sich entscheiden. Würde er das Mobiltelefon nehmen und weiß Gott wo hinschleudern oder würde er rangehen und sich seinem Schicksal stellen. War er Manns genug, um »C« verbal entgegenzutreten?
    Ohne sich wirklich entschieden zu haben, kramte Ben das Handy hervor, drückte die Sprechtaste und legte es behutsam an sein rechtes Ohr. Er sagte kein Wort.
    »Irgendwie habe ich das Gefühl, lieber Benjamin, dass du dich nicht ganz an meine Spielregeln

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