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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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eingetreten hätte, als einfach nur die Tür zu öffnen.
    Sie war nicht verschlossen und Jake konnte ohne Umschweife den kurzen Flur betreten. Als die Haustür zurück ins Schloss fiel, bemerkte er die beigefarbene Postkarte auf dem Holzgeländer der Treppe, die zu seiner Linken ins erste Geschoss führte. Es stand nur ein Wort darauf geschrieben.
    Oben.
    Ohne lange zu überlegen, nahm Jake die Postkarte an sich und ging die prunkvolle Treppe nach oben, wo ein identischer Flur wie unten auf ihn wartete. Es gab dort drei weiße geschlossene Türen, doch nur eine wies eine weitere Postkarte von »C« auf. Auch auf dieser Stand lediglich ein einzelnes, aber vielsagendes Wort.
    Hier.
    Wie selbstverständlich ging Jake auf die Tür zu und hatte bereits die bronzefarbene Klinke in der Hand, ehe er begriff, was er da eigentlich tat.
    Er stand kurz davor, »C« persönlich gegenüberzustehen und ihm für all das zu bestrafen, was er ihm und seiner Familie die letzten Stunden angetan hatte. Sein Körper müsste vor Adrenalin und Ekstase platzen, doch komischerweise war er auf einmal vollkommen ruhig … fast schon innerlich leer.
    Anscheinend hatte Jake die Schnitzeljagd weitaus mehr mitgenommen, als er anfangs gedacht hatte und gerade jetzt, wo er am Ende von allem stand, kamen ihm ernste Zweifel, ob er richtig gehandelt hatte. Vor allen die Aussage von »C«, dass diese Prüfung härter ausfallen würde als geplant, ließ ihn tief schlucken.
    Was wird mich hinter dieser Tür erwarten? Bin ich bereit dafür? Kann ich »C« aufhalten? Und was ist mit meiner Familie? Kann ich sie retten?
    Jake hätte sich noch hundert solcher Fragen stellen können und doch hätte ihn keine auf das vorbereitet, was gleich über ihn hereinbrach.
    Schließlich gab es nur einen Weg, den Jake gehen konnte und dieser führte geradewegs durch die weiße Tür vor ihm. Es gab keinen Grund mehr zu zögern. Und so öffnete er sie und trat ein.
    Zuerst war er über den Anblick enttäuscht, da er sich wesentlich mehr erwartet hatte, bis sein Blick nach links wanderte, während sich die Tür hinter ihm schloss. Erst jetzt begriff Jake, dass das Grauen erst begann.
    Am Anfang war er lediglich in einem leeren Raum gestanden, der frisch renoviert aussah. Doch kaum hatte die Tür die Sicht nach links freigelegt, erkannte Jake, was »C« wirklich für ihn vorbereitet hatte. Das Wort Angst reichte nicht aus, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Für so etwas gab es keine Worte.
    Jake hatte sich, vor allem als er klein war, oftmals Gedanken über das Sterben und den Tod gemacht. Gerade in der Kirche, wenn der Pfarrer das ewige Leben predigte, fragte sich Jake, wie es wohl sein würde, tot zu sein. Nun, etwa dreißig Jahre später, wusste er die Antwort.
    Denn jetzt, wo er die reglosen Körper seiner geliebten Frau und Tochter am Boden liegen sah, durchfuhr sein Herz ein unsagbarer Schmerz, der ihn unausweichlich in den Tod führte. Als wäre sein Körper und Geist getrennt, sah Jake regelrecht, wie er sich schleppend auf seine beiden Geliebten zubewegte, ehe er vor ihnen zusammenbrach.
    Auf Knien betrachtete er das grausame Schauspiel, das »C« für ihn fein säuberlich drapiert hatte. Er sah Leila, seine Frau, ihre hellbraunen, lockigen, schulterlangen Haare, ihren graziösen Körper, ihre schmalen und doch kräftigen Hände, die sich schützend um den Leib ihrer Tochter schlangen.
    Diese führten seinen Blick weiter zu Mira. Sie hatte Jakes schwarze Haare, lockig wie die ihrer Mutter und einen Körper, der nicht schlank, aber unglaublich süß in seiner ganz eigenen Art war. Sein Goldstück, das nun zusammengekauert in den Armen ihrer Mutter lag.
    Ja, nun wusste Jake, wie es war, tot zu sein.
    Denn soeben war er selbst gestorben.
    Wie in Zeitlupe umschlossen seine Lider die gläsernen Augen und ließen Tränen der Trauer über seine Wangen gleiten. Für ihn war diese Welt gestorben … für »C« noch lange nicht.
    »Keine Sorge, Jakob … noch sind sie nicht tot.«
    Blitzschnell öffnete Jake seine Augen und sah sich nach dem Ursprungsort der Stimme um. Nur wenige Sekunden später erkannte er den kleinen Lautsprecher in der Ecke vor ihm. Durch den Schock vorhin war ihm dieses Detail völlig entgangen. Doch nun war Jake hellwach. Denn er kannte diese Stimme nur allzu gut.
    »C«, war sein erstes Wort, das er mit all seinem Hass regelrecht herausspuckte.
    Er verachtete diesen Menschen aus tiefstem Herzen und sein Hunger nach »Cs« Hals, den er wie eine

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