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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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reichlich Bildern, die sich auf ewig in ihre Netzhaut einbrannten.
    Die Tür zum Schlafzimmer hatte Valentina so schnell geöffnet, dass sie die Eindrücke erst in sich aufnehmen konnte, als sie bereits vor dem Doppelbett ihrer Eltern stand. Wie in einem Zeitraffer schlugen die Einzelheiten auf sie ein und drohten, sie ohnmächtig werden zu lassen.
    Wie bereits in der Küche sah Valentina das Schlafzimmer zuerst wie immer, bis die bizarren Einzelheiten sich bemerkbar machten. Dann gab es nur noch diese Veränderungen, die so surreal wirkten, dass sich Valentina wie in einem schlechten Horrorfilm fühlte.
    Doch es war kein Film. Es war bittere Realität und nicht nur Valentina wusste das.
    Erst jetzt wagte sie, sich den Bildern hinzugeben und sie nach und nach zu verarbeiten. Sie akzeptierte, dass ihr Vater, nur mit einer blauen Boxershorts bekleidet, in der Mitte des Ehebetts lag und dabei an Händen und Füßen an den Bettpfosten gefesselt war. Wie ihre Mutter war auch ihr Vater von kleiner Statur und hatte in den letzten Jahren einen stattlichen Bierbauch zustande gebracht. Sein schütteres Haar war mit Angstschweiß durchnässt und sein Mund geknebelt.
    Nur war dies bei weitem noch nicht alles, auch wenn es Valentina bereits genügte. Zwischen den gespreizten Beinen ihres Vaters lag eine ihr sehr bekannte Postkarte. Sie war beigefarben und auf ihrem Rücken stand handschriftlich VALENTINA geschrieben. Daneben lag, fein säuberlich drapiert, eine schwarze Handfeuerwaffe.
    Wenn die Pistole nicht gewesen wäre, hätte Valentina meinen können, sie wäre aus Versehen in ein Sado-Maso-Studio gestolpert. Doch leider handelte es sich tatsächlich um das Schlafzimmer ihrer Eltern und um ihren Vater, der geknebelt und gefesselt auf dem Bett lag.
    Natürlich war sie in Versuchung geraten, sofort den Knebel zu entfernen und ihren Vater loszubinden, doch mittlerweile kannte sie »Cs« Methoden. Es wäre bestimmt ein Fehler, sich zuerst um ihren Vater zu kümmern, als um die Nachricht von ihrem Peiniger.
    Sie hatte also gar keine andere Wahl, als die Postkarte an sich zu nehmen und den Text dahinter zu lesen. Dabei achtete sie akribisch darauf, mit keiner Stelle ihrer Haut das kalte Metall der Pistole zu berühren. Sie wollte nichts mit dieser Waffe zu tun haben.

    Liebe Valentina,

    willkommen zu deiner zweiten Aufgabe.
    Wieder einmal mache ich es dir ganz einfach. Du brauchst nichts weiter zu tun, als die Waffe an dich zu nehmen und das Leben deines Vaters zu beenden.
    Und wenn du glaubst, dass du das nicht kannst oder dass er dieses Schicksal nicht verdient hat, möchte ich dir eine Sache mit auf den Weg geben.
    Frage einfach deinen Vater, was seine größte Sünde ist. Er wird dir ehrlich antworten. Vertrau mir.

    Viel Glück, »C«

    Die Nachricht hatte genau das bewahrheitet, was sich Valentina insgeheim dachte, kaum dass sie die Schusswaffe erblickte hatte. Doch sich darüber Gedanken zu machen, war eine Sache, es schwarz auf beige zu lesen eine ganz andere. Und dann noch dieser Zusatz über die größte Sünde ihres Vaters? Was meinte »C« damit?
    Es war an der Zeit, dass Valentina Antworten bekam und da sie nichts Gegenteiliges aus der Nachricht herauslesen konnte, ließ sie die Postkarte zu Boden fallen und löste stattdessen den Knebel um Vaters Mund. Er röchelte ein paar Mal, ehe er sich seiner Tochter zuwandte.
    »Es … es tut mir so leid …«
    Valentina hörte zwar die Worte ihres Vaters, konnte sie aber nicht verstehen. Warum zum Teufel entschuldigte sich ihr Vater bei ihr? Hätte es nicht andersherum sein sollen? War nichts sie für all das Leid verantwortlich, das ihnen wiederfuhr?
    »Was … was meinst du damit … Papa?«
    »Die Frage … Valentina … die Frage … die du mir stellen sollst …«
    »Du weißt über den Inhalt der Nachricht Bescheid?!«
    Valentina verstand die Welt nicht mehr. Hatte etwa ihr Vater etwas mit »C« zu tun? War er vielleicht sogar das fehlende Bindeglied, das sie sich nicht erklären konnte? Was hatte ihr Vater zu verbergen?
    »Ja … ja … Schatz …«, antwortete ihr Vater unter Tränen. Seine Stimme klang heiser, gebrochen, als hätte er keine Lebenskraft mehr.
    » Er hat es mir gesagt.«
    »C?«
    »Ja … »C« …«
    »Du kennst also »C«?«
    Valentina konnte es nicht glauben.
    »Nein … nein … so ist das nicht … es ist nur … er wusste es … er … er kannte mich !«
    Das letzte Wort brüllte ihr Vater, wodurch er gleich darauf einen Hustenanfall

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