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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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verließ. Das künstliche Licht verschwand mit ihrem Papa und Emilie war wieder allein.
    Sie weinte und nun, wo sie halbnackt in ihrem eigenen Bett lag, schämte sie sich regelrecht vor sich selbst. Eine neue Welle der Trauer und des psychischen Schmerzes durchfuhr sie und ließ sie zusammenkauern. Sie packte sich eine große Portion ihrer Bettdecke, zog sie ganz nah an sich heran und verkroch sich darin. Es war für sie wie ein kleines Versteck.
    Doch je mehr sie sich der Trauer hingab, desto mehr schmerzte ihr übriger Körper und es dauerte nicht lange, bis sich Emilie wie ein Fötus zusammenkauerte. Sie wollte nur noch schlafen und vergessen.
    Einfach vergessen.

    »Irgendwie habe ich das Gefühl, lieber Benjamin, dass du dich nicht ganz an meine Spielregeln hältst.«
    Der Satz war ernstgemeint, da ich wirklich nicht genau wusste, wie es um ihn bestellt war. Nachdem ich mich mit Valentina unterhalten hatte, wandte ich mich erneut den Monitoren zu und stellte unzufrieden fest, dass Benjamin seine Wohnung verlassen hatte und sich nun auf der Burgweintinger Bahnstation befand. Etwas stimmte nicht und nun war es an der Zeit, es herauszufinden.
    Deswegen der Anruf und wie erwartet, versuchte sich Benjamin in Ausreden. Doch ich ließ nicht locker und redete immer wieder auf ihn ein, vor allem aber sprach ich sein Gewissen an, bis ein bestimmter Satz sogar mich stocken ließ.
    »Nein … ich … ich hab schließlich … getötet.«
    Wie bitte? Habe ich grad richtig gehört? Benjamin hat getötet? Wen?
    Verdammt, langsam gerät alles außer Kontrolle. Aber ich darf mir nichts anmerken lassen. Er muss weiterspielen!
    »Und wenn kümmert das, Benjamin?«, setzte ich an und begann das Spiel von neuem.
    Wenn kümmerte es schon, dass Benjamin einen Menschen getötet hatte. Alles was zählte, war meine Schnitzeljagd und ich würde nicht zulassen, dass er aufgab. Schließlich hatte ich noch eine Trumpfkarte in der Hand.
    »Dann wird deine Mutter sterben. Ist es das, was du willst?«
    Niemals würde Benjamin das Leben seiner geliebten Mutter aufs Spiel setzen. Nun gut, dann hatte er eben die erste Prüfung verhauen. Was soll‘s. Er war schließlich nicht der Einzige. Dann würde eben auch für ihn die zweite Prüfung zur wahren Folter werden.
    Doch dann sagte meine Spielfigur etwas, dass ich niemals geglaubt hätte.
    »Ja … ja ich werde das Spiel beenden … »C« … ich … ich gebe … auf.«
    Nein … das kann doch nicht wahr sein.
    Ich verstand es einfach nicht. War Benjamin wirklich so schwach? Konnte er nicht einmal eine Prüfung bestehen? War ihm das Leben seiner Mutter so wenig wert?
    Nun gut, wenn er es nicht anders wollte.
    »Das tut mir leid, Benjamin. Wirklich leid. Nicht nur für deine Mutter … sondern auch für dich. Leb wohl, Benjamin.«
    Dann legte ich auf.
    Niemals hätte ich geglaubt, davon Gebrauch zu machen. Nur hatte sich Benjamin für diesen Weg entschieden und es gab kein Zurück mehr. Ich hätte alles versucht, um meine Spielfigur zurückzuholen. Doch es war vergebens. Benjamins Schicksal war besiegelt.
    Und so nahm ich die Maus in meine rechte Hand, öffnete das Profil von Spieler Rot und wählte das Icon aus, das wie eine weiße Bombe aussah. Das hatte auch seinen Grund, schließlich handelte es sich dabei auch um eine, die ich in jedem meiner Handys verbauen ließ. Sobald ich draufdrückte, würde das Mobiltelefon in seine Einzelteile zerlegt werden … und nicht nur das .
    Ich betätigte die linke Maustaste und schon wurde das Icon aktiviert. Das Profil von Spieler Rot wurde aschegrau und verschwand kurz darauf automatisch zurück in den Hintergrund. Es wurde nicht mehr gebraucht. Denn wenn Benjamin sein Handy noch am Ohr hatte, und davon ging ich aus, würde die Explosion einen Großteil seines Schädels mit in die Luft sprengen.
    Spieler Rot war eindeutig »Game over«.
    Ich ließ mich in meinen Stuhl zurücksinken und genoss für einen Moment die Ruhe. Zwar war es für mich nichts weiter als ein Mausklick gewesen, doch es änderte nichts daran, dass mir der Tod meiner ersten Spielfigur naheging. Schließlich kannte ich das wahre Ende der Schnitzeljagd und so hatte es definitiv nicht ausgesehen.
    Warum hast du nur so schnell aufgegeben, Benjamin? Was ist bei deiner ersten Prüfung passiert, dass du das Leben deiner Mutter weggeschmissen hast, als wäre es Müll vom Vortag? Warum hast du nur so schnell aufgegeben?
    Obwohl ich noch weiter darüber nachdenken wollte, musste ich mich auf meine

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