760 Minuten Angst
bekam.
»Aber was … was hast du denn nur getan, Papa … dass … dass du den Tod verdienst?«
Nun spürte auch Valentina, wie Tränen über ihre geröteten Wangen liefen. Seit sie das Haus ihrer Eltern betreten hatte, war ein Alptraum dem nächsten gefolgt und nun war Valentina an einen Punkt angelangt, wo es nicht mehr weiter ging. Sie verkraftete einen zusätzlichen Horror nicht mehr, vor allem, wenn er den Tod ihres Vaters bedeutete.
»Was hast du nur getan … Papa?!«, brüllte Valentina ihrem Vater mit all ihrem Schmerz entgegen.
Sie wollte doch nur, dass endlich alles ein Ende fand.
»Ich … ich …«, begann ihr Vater, »ich habe … ich habe … deine Mutter betrogen … Valentina … ich … ich betrüge sie seit Jahren !«
Das Wort hallte in dem Schlafzimmer ihrer geliebten Eltern wider.
Dann blieb Stille.
Der dumpfe Schlag ließ sie aufschrecken, während das brennende, künstliche Licht ihr in den Augen schmerzte. Sie konnte für Sekunden ihre Lider nicht heben und doch wusste sie ganz genau, was sich vor ihr abspielte. Sie wusste es ganz genau.
Bitte … bitte nicht. Nicht heute … lieber Gott … nicht heute. Ich … ich kann einfach nicht …
Doch obwohl Emilie aus tiefstem Herzen und voller Überzeugung betete, wusste sie nur zu gut, dass niemand sie retten würde … vor allem nicht Gott.
Seit er ihre Mutter zu sich geholt hatte, war die Erde für sie zur Hölle geworden. Nichts würde daran etwas ändern. Auch ihre unzähligen, flehenden Gebete nicht. Nur blieb ihr keine andere Hoffnung, an die sie sich klammern konnte. Deswegen betete sie noch immer.
Zögerlich öffnete Emilie ihre Augen und sah ihren betrunkenen Papa wackelnd auf der Türschwelle stehen. Das Licht aus dem Flur umfing ihn wie einen Heiligenschein. Wie vollkommen falsch und grotesk dieses Bild war. Normalerweise hätte er in Flammen stehen müssen und nicht in Licht gebadet. Er hätte Höllenqualen verdient. Doch wann würde es soweit sein? Wann fand sie endlich Erlösung?
Erst jetzt setzte sich ihr Papa in Bewegung. Er torkelte mehr als zu Beginn des Abendessens. Nur er allein wusste, wie viele Bierflaschen er noch geleert hatte, bevor er sich auf den Weg zu ihr ins Zimmer gemacht hatte. Emilie konnte gar nicht glauben, dass er überhaupt noch stehen konnte, so wie er gerade versuchte zu gehen. Dennoch erreichte er ihr Bett und hielt sich am Pfosten fest.
»Du weißt … was kommt«, fing ihr Papa zu lallen an.
Und ja, natürlich wusste Emilie, was gleich passieren würde. Schließlich war es nicht das erste Mal und wenn sie nicht bald erlöst wurde, auch nicht das letzte Mal. Es formten sich bereits Tränen auf ihrem Unterlid. Bald würden sie über ihre Wangen streicheln. Bald würden es unzählige sein.
»Sag‘s … Emilie … sag‘s …«
Wieder Papa, der sie aufforderte, genau jene Worte von sich zu geben, die sie auf keinen Fall sagen wollte.
»Sag‘s!«, brüllte er, nachdem Emilie ihm keine Antwort gab.
Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde er völlig ausrasten und es würde geschehen.
»Nein … Papa … bitte … bitte nicht …«, flehte sie, doch es sollte ungehört bleiben.
»Sag‘s, verdammt nochmal!« Ihr Papa wurde lauter. »Ich will, dass du‘s sagst! Ich will, dass du‘s willst !«
»Nein … nein, ich … ich will nicht …«
Doch schon packte sie ihr Papa an den Beinen, zerrte sie ans Ende des Betts und stieg über sie. Sein verschwitztes, nach Alkohol stinkendes Gesicht war genau über ihrem eigenen. Sie konnte nicht aufhören zu weinen. Sie hatte keine Kraft, sich gegen ihn zu wehren. Sie wollte sterben.
»Okay, dann nehm ich des Schweigen mal als ja«, lallte ihr Papa weiter. »Schön. Schön … dann wolln wir mal … Schatz .«
Dieser Schatz zerstörte endgültig ihr fragiles Herz. Sie wusste ganz genau, wenn ihr Papa sie so nannte, dann folgte darauf nur eine einzige Handlung. Und genau diese würde sie zerbrechen. Sie würde weinen, schreien und am Ende nichts mehr sein. Wann hatte das nur ein Ende?
Dann begann es!
Emilie spürte, wie ihr Papa an ihrer Hose riss, bis er begriff, dass er zuerst den Knopf und Reißverschluss öffnen musste. Sie ließ alles geschehen, bis sie nur noch mit ihrem Höschen und T-Shirt bekleidet unter ihm lag.
Sie schrie nicht einmal. Sie weinte nur. Sie wusste, dass ihr nichts anderes übrigblieb. Wenn sie sich wehrte, und Gott wusste, dass sie sich schon oft gewehrt hatte, würde es nur noch schlimmer werden … und
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