8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
nicht«, stotterte ich »Ich kann mich nur erinnern, daß ich heute morgen im Krankenhaus aufwachte.«
»Krankenhaus!« wiederholte Hazel verächtlich.
»Sie muß das Zentrum meinen«, erklärte die andere. »Aber willst du vielleicht sagen, Orchidee, daß du dich auch nicht an uns erinnerst?«
Ich konnte nur nicken. »Es tut mir leid, aber alles, was vor dem Krankenhaus – dem Zentrum – geschah, ist wie weggewischt.«
»Komisch«, sagte Hazel gedehnt, »wissen sie es?«
Die anderen ergriffen meine Partei.
»Natürlich werden sie es wissen. Und es ist doch gleich, ob man sein Gedächtnis verloren hat oder nicht, wenn man nur Klasse-Eins-Babys zur Welt bringt. Aber, sieh mal, Orchidee …«
»Laßt sie doch ein bißchen ausruhen«, warf eine andere ein. »Wahrscheinlich fühlt sie sich nach dem Aufenthalt im Zentrum nicht recht wohl, oder die Reise hat sie mitgenommen. Mir geht es immer ähnlich. Kümmere dich nicht um sie, Orchidee. Du solltest jetzt ein bißchen schlafen. Vielleicht ist alles wieder gut, wenn du aufwachst.«
Ich nahm ihren Vorschlag dankbar an. Das Ganze war im Augenblick zu verwirrend, als daß ich es hätte aufnehmen und verstehen können. Darüber hinaus fühlte ich mich wirklich völlig erschöpft. So dankte ich ihr für ihren Rat und legte mich in die Kissen zurück. Es gibt eine Art, ostentativ die Augen zu schließen – was ich jetzt tat. Und zu meiner Überraschung schlief ich ein.
Im Augenblick des Erwachens, noch bevor ich die Augen öffnete, war in mir ein winziger Hoffnungsschimmer, daß jetzt die Illusion vorbei sein werde. Doch dem war nicht so. Eine Hand schüttelte sanft meine Schulter, und als ich die Augen aufschlug, sah ich direkt in das Gesicht der kleinen Wärterin mit dem Andreaskreuz. In der mütterlichen Art der Schwestern fragte sie:
»Na, Mutter Orchidee? Nach diesem Schläfchen geht es uns sicher wieder besser, nicht wahr?«
Zwei Wärterinnen kamen mit einem Tablett auf mich zu. Sie setzten es so ab, daß ich es bequem erreichen konnte. Es war bei weitem die reichhaltigste und nahrhafteste Mahlzeit, die ich je gesehen hatte. Beim ersten Ansehen wurde mir übel – doch dann merkte ich, daß mein Körper mit diesen Mengen spielend fertig wurde. Hungrig begann ich zu essen. Ein Teil meines Ichs trennte sich vom Körper und beobachtete staunend, wie der andere Teil ein paar Fische verzehrte, ein Hähnchen, einige Fleischscheiben, einen Berg Gemüse, Obst, Schlagsahne und einen halben Liter Milch. Er schien meinem Körper nicht zu schaden.
Ein kurzer Blick zeigte mir, daß die anderen ›Mütter‹ mit ähnlichen Portionen fertig wurden.
Ein paarmal bemerkte ich, daß sie mich neugierig ansahen, aber sie waren im Augenblick zu ernsthaft beschäftigt, um sich mit mir befassen zu können. Mit Sorgen dachte ich daran, wie ich sie später auf Distanz halten konnte, und mir kam der Gedanke, daß ich mich vielleicht in ein Buch oder eine Zeitschrift vergraben konnte.
Als die Wärterinnen zurückkamen, fragte ich die mit dem Andreaskreuz, ob sie mir etwas Lesestoff besorgen könne. Die Wirkung meiner Frage war verblüffend: die beiden Frauen, die mein Tablett wegtrugen, hätten es um ein Haar fallen gelassen. Die Oberaufseherin starrte mich einen Augenblick mit offenem Mund an, bis sie sich wieder gefaßt hatte. Sie betrachtete mich zuerst mißtrauisch, dann aber mit zunehmender Besorgnis.
»Geht es doch noch nicht so gut, meine Liebe?« wollte sie wissen.
»Aber ich fühle mich ausgezeichnet«, protestierte ich.
Der besorgte Blick wich nicht.
»An Ihrer Stelle würde ich schon ein bißchen zu schlafen versuchen«, riet sie mir.
»Aber ich will nicht. Ich möchte ein bißchen in Ruhe lesen«, widersprach ich.
Sie tätschelte mir ein wenig unsicher die Schulter.
»Ich fürchte, Sie haben eine schwere Zeit hinter sich, Mutter. Gut, gut … es wird gleich vorbei sein.«
Ich wurde ungeduldig. »Was ist denn so Ungewöhnliches an meinem Wunsch?« fragte ich.
Sie lächelte ihr Krankenschwesterlächeln.
»Na, na, meine Liebe. Jetzt wird aber wieder geschlafen. Weshalb sollte denn ausgerechnet eine Mutter lesen?«
Damit strich sie meine Bettdecke glatt und eilte geschäftig hinaus. Ich war wieder hilflos den gaffenden Zimmerkolleginnen preisgegeben. Hazel kicherte verächtlich. Sonst hörte man für die nächsten fünf Minuten kein Wort.
Ich hatte einen Zustand erreicht, in dem ich nicht mehr wußte, was Halluzination und was echt war. Wenn man mich
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