8 Science Fiction Stories
der Zone, in der Darva lag, vorherrschte. Tag und Nacht haben nur sehr vage äquivalente Ausdrücke in der venusischen Sprache, aber ein langsamer Rhythmus von Thermalquellen über einem breiten Gürtel der Tagseite, verursacht durch die Libration des Planeten, entspricht den Begriffen. Es gibt Perioden düsterer, dunkelblauer, frostiger Kälte und Perioden glasklarer Mittage, an denen die Sonne flüssiges Feuer hinter hohen Nebeln ist. Die Intervalle sind in einigen Teilen der Tagseite monatelang, aber hier erzeugen die riesigen Berge ihre eigenen Luftströmungen, und die Gezeiten der Wolken haben einen viel kürzeren Rhythmus. Aber auch sie sind noch zu uneinheitlich, um den Venusiern ein klares Verständnis von Tag und Nacht zu vermitteln. Die mächtigen, blauen Berge waren purpurn und violett im Halbdunkel, als Quanna den Weg aufwärts ritt. Überall um sich herum hörte sie zahllose Wasserfälle rauschen, plätschern und tropfen. Es glich einer Musik, einer Untermalung zu dem langsamen fernen Donnern eines Steinrutsches, der die Felsen in einem Schauer von Echos erzittern ließ.
Die steilen Felsgiganten, die fast dreihundertfünfzig Meter senkrecht nach oben in die Wolken strebten, waren für irdische Augen selbst nach einer Lebensspanne auf der Venus ein erschreckender Anblick, aber Quanna nahm kaum Notiz von den steilen Kolossen aus purpurnem Fels, die über ihr hingen. Sie war inmitten dieser Felsen geboren worden, und sie hatte nicht vor, hier zu sterben. Wenn es nach ihr ginge, würde sie auf einem anderen Planeten sterben und unter der satten, grünen Erde Terras begraben werden, wo Sonnenlicht und Sternenschimmer und Mondschein sich abwechselten in einem klaren Himmel, den sie sich trotz aller Geschichten, die sie darüber vernommen hatte, nicht vorstellen konnte.
Die Höhle, die sie suchte, lag zwei Wegstunden oben in den Gipfeln über Darva. Niemand außer einem Venusier hätte sie in weniger als zwei Tagen zu finden vermocht. Quanna und ihr Pferd kannten den Weg gut genug, aber selbst für sie war er schwierig zu bezwingen, und als sie schließlich in den kathedralenförmigen Cañon kamen, wo ein dünner Wasserfall wie Rauch schwebte, zitterten die Flanken des Pferdes vor Anstrengung.
In diesen engen Wänden machte der Wasserfall donnernde Musik. Quanna zog ihren Umhang über ihr Gesicht und ritt geradewegs durch den rauchigen Vorhang aus Wasser hinein in das gotische Gewölbe der Höhle dahinter. Sie pfiff drei klare, helle Töne und vernahm ein antwortendes Echo von den Wänden, welches das Tosen des Wasserfalls durchdrang.
Nach zwei Biegungen sah sie ein Feuer flackern. Quanna glitt vom Pferd in die wartenden Arme von Dienern und ging über einen glitzernden Abhang auf das Feuer zu. Licht tanzte verwirrend über ein Märchenland aus kristallenen Säulen, an denen das Wasser jahrhundertelang geduldig genagt hatte. Es war Aladins Höhle aus »Tausendundeine Nacht« mit gleißenden Juwelen im Irrlicht des Feuers.
Von der Gruppe am Feuer erhoben sich alle außer einem, als Quanna vorwärts schritt. Ihre scharlachroten Schuhe erschienen und verschwanden mit delikater Präzision unter ihrem smaragdgrünen Umhang. Quanna war jeder Ritus, der der venusischen Frau geziemte, genauestens einexerziert, und zeremonielles Benehmen war nur ein Bruchteil ihrer Kenntnisse. Sogar ihr Gang entsprach der Tradition, als sie den Männern am Feuer entgegenschritt.
Sie hatten sich erhoben – alle außer dem Verhüllten –, nicht etwa in Ehrerbietung vor ihrem Rang oder ihrer Weiblichkeit, denn Frauen hatten keine sehr hohe Stellung auf der Venus, sondern weil sie ein
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