80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
aus, mit dunklen Ringen unter den Augen, einem hässlichen Fleck auf der rechten Wange und Haaren, als hätte man mich durchs Gebüsch geschleift. Mit einem Seufzer wandte ich mich ab, schlich ins Schlafzimmer zurück und versuchte, wieder einzuschlafen. Das Bettzeug stank nach Schweiß und Alkohol. Ich musste es unbedingt wechseln, bevor Dominik zurückkam.
Stundenlang wälzte ich mich im Bett herum, ohne abschalten zu können. Aus dem Augenwinkel sah ich den Geigenkasten, der verlassen an der gegenüberliegenden Wand des Lofts stand. Er schien mich zu rufen, aber ich hatte nicht die Energie, aufzustehen und auch nur ein klein wenig zu üben. Die Zeit verging im Schneckentempo. Jedes Mal, wenn ich auf meine Uhr sah, schien der Tag noch langsamer dahinzuschleichen.
Victors Frist war halb abgelaufen, und in meinem Kopf herrschte heillose Verwirrung. Das dumpfe Pochen in meinen Schläfen hielt sich hartnäckig.
Am liebsten hätte ich einfach losgeheult, aber selbst dazu fehlte mir die Kraft.
»Ich bin’s.«
»Ich habe deinen Anruf erwartet.« Ich konnte sein süffisantes Grinsen förmlich vor mir sehen.
»Wie klug du doch bist.«
»Also?«
»Also …« Mir schnürte es die Kehle zu. Ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, denn ich wollte ihm nicht auch noch die Genugtuung verschaffen, dass ich mit halb erstickter Stimme sprach.
»Komm auf den Punkt, Summer«, sagte Victor. »Es ist doch ganz einfach: Ja oder nein? Also mach schon.«
»Die Fotos werden gelöscht, es bleiben keine Kopien übrig?«
»Ja. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
»Das genau ist mein Problem. Kann ich dir wirklich trauen?«
»Du hast wohl kaum eine andere Wahl, oder?«
»Sieht ganz so aus.«
»Heißt das nun Ja?«
Ich seufzte. »Und … wenn das vorbei ist, dann wirst du mich nie mehr belästigen. Du wirst mich in Zukunft in Ruhe lassen. Aus meinem Leben verschwinden, ja?«
»Wenn es das ist, was du willst …«
»Ja. Genau das will ich.«
»Gut.«
Ich brachte es immer noch nicht über mich, das entscheidende Wörtchen auszusprechen, und versuchte, das Gespräch in die Länge zu ziehen. »Und diesmal keine Kameras, Handys und dergleichen?«
»Selbstverständlich.«
Hatte ich eine Wahl? Entweder ich gehorchte ihm, oder ich konnte meine Karriere und höchstwahrscheinlich auch Dominik vergessen.
»Du wirst sowieso eine Maske tragen bei der Veranstaltung.«
»Wie geschmacklos.«
»Aber nicht doch, meine Liebe. Stehen wir nicht alle auf Rituale? Du wirst prachtvoll aussehen. In Schwarz natürlich, es sei denn, du ziehst eine andere Farbe vor.«
Plötzlich fiel mir die Frau in dem Käfig in New Orleans ein. Ich konnte mich nicht mehr genau erinnern, ob sie eine Maske getragen hatte, aber bei Victors beiläufiger Erwähnung von Ritualen musste ich an sie denken und verspürte ein vertrautes Kribbeln im Bauch.
»Mir egal«, stieß ich hervor.
»Dann sind wir uns also einig?«, fragte Victor.
»Sind wir.« Mir wurde ganz schlecht.
»Wunderbar.«
Es war ja nur eine Nacht, der viele tausend andere folgen würden, in denen ich dann frei war und tun und lassen konnte, was ich wollte, sagte ich mir. Eine Nacht. Und es ging nur um meinen Körper, nicht um meinen Geist oder mein Herz. Die würde ich fest wegschließen für die paar Stunden, die es dauern würde, sicher verwahren vor Victors schmutzigen Gedanken und den Blicken von Fremden. Meine Seele würde davon überhaupt nicht berührt werden. Was den Körper betraf, so wusste ich leider nur allzu gut, wie schnell er sich erholen konnte. Scham hinterließ auf ihm keine Spuren, zumindest keine sichtbaren. Nur noch ein einziges abschließendes Abenteuer, dann wäre ich wieder frei und hätte die Kontrolle über mein Leben zurück. Sicherlich kein zu hoher Preis. Oder etwa doch?
»Wann?«, fragte ich.
Er lachte. »Ist es dir so eilig?«
»Nein. Ich will es nur hinter mich bringen.«
»In diesem Fall wirst du deine Einsatzbereitschaft noch etwas zügeln müssen. Ich gebe dir rechtzeitig Bescheid.«
»Oh …«
Ich hatte gehofft, dass noch vor Dominiks Rückkehr alles vorüber wäre. Dass es bis dahin zur Vergangenheit gehören würde wie schon so manches andere, das ich ihm verschwiegen hatte, seit wir wieder zusammen waren.
»Ich melde mich, Summer«, erklärte Victor.
»Bitte …«
»Oh, keine Sorge, ich werde ausgesprochen diskret vorgehen«, fügte er hinzu und legte auf.
So konnte ich also nur noch warten.
Dominik stellte sein Gepäck ab und kam auf
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