80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
ich euch noch Alex.«
Alex war der Posaunist, mit dem Marija mich mal hatte verkuppeln wollen. Doch stattdessen war ich bei dieser Verabredung mit einem Versicherungsmakler in seinem todschicken Apartment in der Upper East Side gelandet, das nach gegrilltem Lachs stank. Dominik hatte das Ganze witzig gefunden, und Alex war glücklicherweise nicht allzu gekränkt gewesen, denn während ich draußen auf der Dachterrasse mit dem Makler flirtete, hatte er an der Bar ein anderes Mädchen aufgegabelt.
Die drei würden direkt nach Paris fliegen, sich einen Tag vom Jetlag erholen, und dann stand nach einem gemeinsamen Probentag auch schon der Tourneeauftakt im La Cigale am Boulevard Rochechouart an. Als ich vor etwa vier Jahren schon einmal in Paris gewesen war, hatte ich nur wenig Zeit gehabt, mir die Stadt anzuschauen; darum hatte ich zwar angenehme, aber nur vage Erinnerungen. Wir würden in einem Viertel absteigen, in dem ich noch nicht gewesen war. Fran als unsere neue Tourneemanagerin hatte die ganzen Übernachtungen organisiert.
Ich musste nur noch packen und die Fotos machen lassen, auf die Susan so scharf war. Selbst wenn es zu spät war, neue Plakate drucken zu lassen, wollte sie doch zumindest ein paar Bilder an Feuilletonredaktionen und Musikzeitschriften schi cken, schon um die Gerüchte zu ersticken, ich wäre ausge tickt oder aus der Bahn geworfen worden. Mein Genrewechsel sollte als zeitweilige Neuorientierung vermarktet werden. Susan glaubte, dass mir das Rockimage mehr Sexappeal verleihen und damit den Verkauf meiner Klassik- CD s anheizen würde. Sie hatte schon immer begeistert mit meinem Sexappeal geworben und war sehr glücklich über meinen Vorschlag, Jack Grayson als Fotografen anzuheuern, der sich unter anderem in der Modeszene einen Namen gemacht hatte und auf dessen Konto einige gewagte Aufnahmen von Prominenten gingen. Außerdem hatte eine Aktfotoausstellung von ihm in einer Londoner Kunstgalerie für Schlagzeilen gesorgt, nachdem prüde Besucher die Polizei gerufen hatten.
Aus purer Neugier hatte ich mir damals diese Bilder angesehen. Meiner Meinung nach waren sie alle geschmackvoll, auch wenn konservative Menschen daran Anstoß nehmen mochten. Besonders eine Aufnahme hatte mich fasziniert. Sie zeigte eine Frau, die sich neben einem Bücherstapel vornüberbeugte, wobei ihr eine perfekt geformte Erdbeere aus dem Anus lugte. Eine andere Frau, die hinter ihr saß, hatte dem Anschein nach die Frucht dort platziert. Ich brannte darauf, Jack Grayson zu fragen, wie er es geschafft hatte, dass die Erdbeere an Ort und Stelle geblieben war. Aber das war ein Thema, das man wohl besser zu einem anderen Zeitpunkt, vielleicht bei einem Bier, anschnitt.
Grayson, wie er allgemein genannt wurde, wohnte und arbeitete in einem alten umgebauten Schulhaus, nicht weit von dem möblierten Zimmer in Whitechapel entfernt, in dem ich gehaust hatte, als ich Dominik kennenlernte. Er bot mir einen Kaffee an, den wir auf seinem Balkon mit Blick auf den Friedhof und eine Kirche aus dem 17. Jahrhundert tranken. Die Gegenwart von Tod und Religion gab dem ansonsten eher mädchenhaft wirkenden Interieur eine düstere Note. Der Raum, in dem mehrere prunkvolle Stühle und große Vasen mit Blumen standen, war ganz in Cremetönen gehalten.
Sein Atelier stand voll mit Scheinwerfern, Blitzgeräten, Studiohintergründen und anderen technischen Gerätschaften, die ich nicht kannte, sowie großen Softboxen und silbernen Reflexschirmen.
In Jeans und einem schwarz-weißen Designer-T-Shirt mit dem Print einer nackten Frau in einem Einkaufswagen auf der Brust sah Jack völlig anders aus als in Latex. Seine Assistentin Jess, der ich bereits im Treppenhaus begegnet war, als sie einen schweren Koffer hinaufwuchtete, war nun damit beschäftigt, dessen Inhalt auf einem großen Tisch auszubreiten: genug Schmink- und Frisierutensilien, um eine ganze Drogerie zu bestücken.
Ich war noch nie bei einem professionellen Shooting gewesen. Der eine oder andere Liebhaber hatte mal Nacktaufnahmen von mir gemacht. Zu meinem Glück hatte aber keiner von ihnen sie an die Presse weitergegeben, als ich als Geigerin berühmt wurde, oder aber die Zeitungen hatten kein Interesse daran gezeigt. Das Foto, mit dem für mein erstes Konzert in New York geworben wurde, war eines davon. Ich hatte eine kurze Affäre mit einem australischen Fotografen gehabt; er hatte etliche Aktfotos von mir gemacht, während ich Geige spielte oder sie mir vor die Brüste hielt. Doch
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