80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
meinem Kopf verbannt. Am liebsten wäre ich jetzt in ein Schwimmbecken gesprungen und hätte mir die Sehnsucht Zug um Zug vom Leib geschwommen oder meine Laufschuhe angezogen, um loszurennen, bis mir die Füße so wehtaten, dass ich mein Herz darüber vergaß. Aber dazu gab es keine Gelegenheit, mir blieb nichts anderes übrig, als fünf Stunden auf meinem bequemen Sitz auszuharren. Nicht lange genug, um richtig auszuschlafen, aber zu lange, um ohne Ablenkung zu bleiben. Hätte ich doch wenigstens daran gedacht, mein Korsett unter dem T-Shirt anzuziehen und es festzuschnüren. Das wäre zwar unbequem gewesen, hätte aber dieses schreckliche Verlangen gemildert, das in mir tobte.
Ich hatte Dominik nicht einmal nach der Bailly gefragt. Ehrlich gesagt, war mir Dominik auch viel wichtiger als die Geige. Deren Verlust könnte ich tausendmal verschmerzen, wenn ich dafür die Chance bekäme, es noch einmal mit Dominik zu versuchen. Ich würde selbst meine Seele an den Teufel verkaufen und die Geige eigenhändig zertrümmern, wenn es mir Dominik zurückbrächte.
Aber das half alles nichts. Er war auf dem Rückweg nach London und zu Lauralynn. So wie ich die beiden kannte, hatten sie sicher eine offene Beziehung. Bei Lauralynn konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie jemals einen ruhigen Hafen ansteuerte, und Dominik schätzte seine Unabhängigkeit, auch wenn er nicht ganz frei von Eifersucht war. Doch ich bezweifelte, dass er jemals eine monogame Beziehung eingehen würde. Dennoch wüsste ich für mein Leben gern, was ihm unsere gemeinsame Nacht bedeutete. Da Lauralynn alles andere als submissiv war, hatte er vielleicht einfach nur die Gelegenheit genutzt, mal wieder eine Frau zu dominieren, die das zu schätzen wusste. Eine kleine Affäre mit einer Verflossenen, mehr nicht. Ob er Lauralynn davon erzählen würde? Ich malte mir aus, dass sie über mich lachten, die komische kleine Geigerin, die auf harten und groben Sex stand und offenbar keinen Funken Romantik im Leib hatte. Was ganz und gar nicht stimmte, sofern der Richtige kam – und das war nun mal Dominik. Ohne ihn hätte ich mich vielleicht für den Rest meines Lebens mit Beziehungen begnügen müssen, wie ich sie mit Simón gehabt hatte: Freundschaft, und nichts sonst. Ich wollte nicht noch einmal jemanden so verletzen, wie ich Simón verletzt hatte, da blieb ich lieber allein.
Luba hatte gleich ein Auge auf Dominik geworfen, und ich war heilfroh gewesen, dass er kein Interesse an ihr gezeigt hatte oder in den Swingerclub mitgegangen war. Ich hätte ihn unmöglich mit jemandem teilen können, gerade jetzt nicht, wo unsere Verbindung, oder wie man es nennen wollte, so ungewiss und zerbrechlich schien. Selbst wenn er gar nichts von mir gewollt hätte, ihn mit jemand anderem zu sehen, hätte mir das Herz gebrochen.
Wir sollten an diesem Abend spielen; jeden Tag eine andere Stadt, jeden Tag ein Konzert. Kaum waren wir im Hotel angekommen, zog ich meine Laufschuhe an, nahm die U-Bahn ins Stadtzentrum und drehte eine Runde im Parc de Bruxelles, vorbei am Palast und den Botschaften, und versuchte, die Spannung, die sich während der Fahrt aufgebaut hatte, abzubauen.
Als Dominik am nächsten Morgen anrief, wäre ich beinahe nicht rangegangen. Nicht, dass ich nicht mit ihm hätte sprechen wollen. Ganz im Gegenteil. Ich sehnte mich nach seiner Stimme, ich hätte sie ewig hören mögen, doch ich fürchtete das, was er mir eventuell sagen wollte und was ich darauf erwidern würde. Wir hatten vieles zu besprechen, dabei habe ich noch nie gern telefoniert. Wenn ich die Gegenwart meines Gesprächspartners nicht spüren konnte, zerstoben meine Gedanken wie Blätter im Wind, und es gelang mir nicht, meine Gefühle in Worte zu fassen.
Wir redeten nur wenige Minuten, und am Ende hatten wir nichts geklärt, nicht einmal angesprochen, ob und wie es mit unserer Beziehung weitergehen sollte, wenn es da überhaupt noch so etwas wie eine Beziehung gab. Er wollte demnächst nach Spanien aufbrechen, wo er mit seinem Buch über Elena auf Lesereise ging. Er hatte einige Neuigkeiten über die Geige, die darauf hindeuteten, dass Viggo hinter dem Diebstahl stecken könnte. Was mich nicht sonderlich überraschte. Ich hatte schon immer so einen Verdacht gehabt. Doch meine Stimmung war wegen Dominik bereits so im Keller, dass mich der Gedanke an die Geige nicht noch tiefer in Trübsal stürzen konnte.
Außerdem wusste ich nicht, was ich mit Viggo machen sollte. Wie ich es auch drehte und
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