80 Days - Die Farbe der Lust
Show war. Unter der Eisschicht verbarg sich eine warmherzige Person, jede Wette.
Sie beobachtete, wie ich mich umsah.
»Lärmschutz«, sagte sie. »Deshalb bin ich hier eingezogen.«
»Lärmschutz?«
»Ja. Es ist schallisoliert.«
»Oh.«
»Man hört nicht, wenn jemand schreit.«
Wieder dieses durchtriebene Grinsen.
»Meine früheren Nachbarn haben sich ständig beschwert, sodass ich schließlich ausziehen musste.« Sie zuckte die Achseln.
Ich verbiss mir ein Lächeln. Immer wieder amüsierte es mich, wenn das Banale mit dem Obszönen kollidierte. Diese Welt, in der ich mich mittlerweile bewegte, wirkte von außen betrachtet obskur und zugleich unbeschwert und glamourös, doch wie jeder andere mussten auch Perverse ihre außergewöhnlichen Freizeitaktivitäten in die Alltagsroutine integrieren, mussten Miete zahlen, gegenüber neugierigen Mitbewohnern und Vermietern plausible Erklärungen für das Vorhandensein merkwürdiger Haushaltsartikel finden und lernen, ihre Kunst an manchmal höchst gewöhnlichen Orten auszuüben.
Lauralynn entschwand in die Küche, und ich hörte das Klirren von Eiswürfeln, die sie in ein Glas gab, und ein leises Zischen, als sie eine Flasche öffnete.
»Setz dich«, sagte sie, reichte mir ein dickwandiges Glas und deutete auf eine sündteure, mit cremefarbenem Leder bezogene Sitzlandschaft, die fast zwei Wände des Wohnzimmers einnahm. »Ich geh nur rasch und zieh mir … was Passenderes an.«
Ich nickte und trank einen Schluck. Mineralwasser. Vielleicht hatte sie bemerkt, dass ich von dem Prosecco einen kleinen Schwips hatte. Alkohol und die körperlich stärker fordernden sexuellen Perversionen sind keine kluge Kombination. Das war einer der Gründe, weshalb ich Dominik meinen Körper so unbekümmert anvertraute: Ich wusste, dass er nicht trank.
Am Fuß der Treppe drehte sie sich noch einmal um.
»Ach, übrigens, Summer …«
»Ja?«
»Es kommt noch ein Freund.«
Die nächsten zwanzig Minuten grübelte ich über ihre Worte nach. Zugleich achtete ich mit gespitzten Ohren auf die Türglocke, obwohl ich nicht wusste, was ich tun sollte, wenn es läutete und Lauralynn noch nicht wieder da wäre. Außerdem nutzte ich die Gelegenheit, mich im Gästebad etwas frisch zu machen.
Würde sie mich unten nehmen? Ich beschloss, mich für alle Fälle rasch zu waschen. Oder erwartete sie, dass ich sie nähme? In Fellatio hielt ich mich fast schon für eine Expertin; besonders genoss ich dabei, die Macht zu spüren, wenn ich mit meiner Zunge die tiefen Empfindungen eines Mannes hervorlockte und ihm so viel Lust bereitete, dass er alles andere vergaß – gefangen in meinem Mund, selbst wenn ich vor ihm kniete. Aber ich hatte noch nie eine Frau mit meiner Zunge berührt und war mir nicht sicher, wie ich das angehen sollte. Vor allem aber plagte mich der Gedanke, wie schwer mich ein Mann zum Orgasmus brachte, denn ich kam nur, wenn sich das Körperliche und meine Fantasien in perfekt orchestriertem Rhythmus ergänzten, und auch dann keineswegs immer. Würde ich Lauralynn einen Orgasmus verschaffen können? Ich war nicht einmal sicher, ob das im heutigen Szenario überhaupt vorgesehen war.
Soweit ich wusste, war die Beziehung zwischen Subs oder Sklaven und ihren Gebieterinnen nicht vorwiegend sexuell, sondern eher ein Machtspiel, ein komplizierter Balanceakt zwischen dem Dienen und dem Verehren auf der einen Seite und einer huldvollen, theatralischen Machtausübung auf der anderen. Zwar schienen in allen diesen Spielszenen die Herrinnen das Sagen zu haben, tatsächlich aber unternahmen sie gewöhnlich große Anstrengungen, um die Psyche ihrer Subs zu ergründen und ihnen genau das zu geben, was sie sich wünschten.
Das war sicher oft kein leichter Job, möglicherweise aber ein einträglicher für Lauralynn. Jedenfalls wäre das eine Erklärung für die schicke Wohnung, die unpersönliche Möblierung und die pflegeleichten Oberflächen.
Als ich ihre Absätze auf der Treppe klackern hörte, beeilte ich mich mit meiner Säuberungsaktion. Lauralynn öffnete gerade in dem Moment die Haustür, als ich aus dem Badezimmer trat.
Sie trug jetzt einen Ganzkörper-Catsuit aus Latex, allerdings ohne Kopfteil, und sah einfach großartig darin aus. Außerdem hatte sie andere Stiefel angezogen. Dieses Paar hatte sogar noch höhere Absätze, und ich staunte, dass sie in den Skyscrapers auch nur einen Schritt tun konnte, ohne umzukippen. Das geglättete und mit einer Glanzspülung behandelte Haar
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