80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
Straßenseite auf mich, an der Treppe vor dem Royalton Hotel, das die Philippe-Starck-Bar beherbergte, einen der edelsten Schuppen von Manhattan.
»Luba!«
»Hallo, Lev …«
»Ähm, gut siehst du aus.« Er vermied es, mir direkt ins Gesicht zu schauen.
Seine Nase war unförmig angeschwollen, beide Augen waren von einem Veilchen entstellt, und es sah so aus, als würde er ein Bein leicht nachziehen.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte ich ihn.
»Das weißt du nicht?«
»Nein.«
»Hat Chey dir gar nichts erzählt?«
»Den sehe ich ja kaum. Sag schon!«
Er zögerte einen Moment, dann schaute er mir in die Augen. »Er war’s. Chey hat mich so zugerichtet.«
»Warum denn das?«, fragte ich ungläubig.
»Deinetwegen.«
»Meinetwegen?« Was war geschehen? Ich war völlig baff. Wäre dies Cheys unmittelbare Reaktion gewesen, dann hätte ich es vielleicht noch verstehen können. Ich nahm an, dass Lev oder Barry ihm erzählt hatten, wie ich darauf gekommen war, im Tender Heart aufzutreten; und es hätte mich nicht gewundert, wenn er daraufhin ausgerastet wäre. Ich wusste ja, wie eifersüchtig Männer sein konnten. Aber ich tanzte nun schon seit vielen Wochen, und nachdem er anfangs entsetzt gewesen war, schien er es inzwischen als meinen Beruf zu akzeptieren und sogar stolz auf mich zu sein. Ich spürte, dass Wut in mir aufstieg, und fügte diese Geschichte Cheys langer Liste von Heimlichkeiten und Lügen hinzu.
»Tja, er war nicht sonderlich begeistert, dass ich dich auf die Idee gebracht habe zu … tanzen. Anders ausgedrückt, er war fuchsteufelswild. Ich habe ihn noch nie so außer sich gesehen.«
»Und deswegen hat er dich …?« Ich musterte sein geschundenes Gesicht. Er war ja nie eine Schönheit gewesen, aber nun sah er aus, als wäre er unter eine Dampfwalze geraten. Ich musste daran denken, dass im Dojo alle Cheys Blick ausgewichen waren. Kein Wunder, wenn er selbst seine Freunde so zurichtete, bloß weil ihm mal etwas nicht passte.
»Die Nase ist schon wieder gerichtet«, meinte Lev. »Die Veilchen werden verblassen. Und mit meinem Bein ist es auch schon viel besser.«
Ich war stinksauer. Lev war für mich nur ein flüchtiger Bekannter, niemand, den ich zu meinen Freunden zählte. Aber er hatte mir geholfen, als ich jemanden brauchte. Wie hatte Chey ihm so etwas antun können, und das auch noch, ohne mir ein Sterbenswörtchen davon zu sagen?
»Er ist ein furchtbar eifersüchtiger Mensch, Luba. Du ahnst gar nicht, welche Macht du über ihn hast. Das kann Männer bis in den Wahnsinn treiben.«
Voller Ungeduld hielt ich nach einem Taxi Ausschau, und als ich eines erwischt hatte, konnte es mir gar nicht schnell genug in den Meatpacking District gehen. Ich kochte vor Zorn und war wild entschlossen, mir Chey diesmal vorzuknöpfen. Ich musste einfach wissen, wer er wirklich war, egal, was ich dabei erfahren mochte.
Aber natürlich traf ich ihn gar nicht erst an. Die Tür zum Ankleidezimmer stand offen, alles deutete darauf hin, dass er in großer Eile gepackt hatte. Was hieß, dass er mindestens eine Woche, wenn nicht länger, unerreichbar sein würde.
Auf meinem Nachttisch lag seine Art von Abschiedsgruß, wieder einmal eine Bernsteinarbeit. Die zehnte, wenn ich richtig zählte. Aber so käme er mir diesmal nicht davon. Ich sprang unter die Dusche und schrubbte mich so wütend, als wollte ich alle Spuren von Chey von meiner Haut tilgen.
Als ich später ruhelos durch die dunkle Wohnung strich – an Schlaf war nicht zu denken –, fiel mir in seinem Arbeitszimmer eine offene Schublade auf.
Da sie wie so vieles andere in der Wohnung bisher immer verschlossen gewesen war, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ihren Inhalt unter die Lupe zu nehmen.
Sie enthielt irgendwelche Warenbegleitscheine in verschiedenen Sprachen, mit denen ich nichts anfangen konnte, Unmengen von Büroklammern und Gummibändern und unter all dem – eine Pistole.
Schwarz und glänzend.
Mit dem Geruch nach Waffenöl.
Mein Herz setzte einen Schlag aus.
Ich nahm sie vorsichtig in die Hand.
Eine Sig Sauer.
Gefährlich, aber schön.
Wie mein Geliebter.
Mir wurde flau im Magen.
War ich etwa aus Russland geflohen, nur um in den Armen eines amerikanischen Gangsters zu landen?
4 TANZ MIT DER PISTOLE
Der Fund der Waffe war ein echter Schock für mich.
Ich wusste, dass es hier in Amerika schon fast normal war, eine Pistole im Haus zu haben. Aber keine von dieser Art. Wie fast alles, das Chey besaß, sah auch
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