80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
Pistole in seiner Wohnung, die er sich vorsorglich für den Fall zugelegt hatte, falls er in Schwierigkeiten käme. Sein Doppelleben hatte er mir nicht enthüllen können, ohne auch mich in Gefahr zu bringen.
»Und warum tust du es ausgerechnet jetzt?«, fragte ich ihn.
»Es ist einiges schiefgelaufen«, räumte er ein. Eine Lieferung war nicht an ihr Ziel gelangt, und um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, hatte er nicht nur seine kriminellen Kontaktleute, sondern auch die amerikanischen Bundesbehörden hinters Licht führen müssen. Aus diesem Grund hatte er sich Hals über Kopf aus New York abgesetzt und befand sich seitdem auf der Flucht. Zunächst hatte er nicht gewusst, wohin und was tun, und hatte sich schließlich in Illinois in einer Hütte an einem See versteckt. Als er zufällig ein Foto von mir und Viggo in einer Zeitung entdeckt hatte, war er mit falschen Papieren nach London gereist. Und nun war er da.
Ein sauberes Paar sind wir, war mein erster Gedanke: beide mit falschen Papieren und falschen Identitäten.
Ich glaubte ihm. Ich hatte ihm schon immer gern glauben wollen, nur leider hatte er nicht den Mut gefunden, mir die Wahrheit zu sagen.
Ich nahm seine Hand und drückte sie. Liebend gerne hätte ich ihn geküsst, aber irgendetwas hielt mich immer noch zurück.
Doch als ich seine warme Haut spürte, begann ich bereits aufzutauen. Seine Hand zu halten, war bereits ein Versprechen auf mehr.
»Was willst du nun tun?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
Er blickte mich bewundernd an, als würde ich nicht eine ausgeleierte Jogginghose und ein T-Shirt tragen, sondern die edelsten Klamotten, die bei der kleinsten Bewegung zerreißen oder zerknittern konnten.
Es war wie beim ersten Mal. Aber dieses Mal würden wir es hinbekommen, denn schließlich machten unsere Erfahrung und die Freude über das Wiedersehen die wenig idyllischen Umstände mehr als wett.
Sein Konto war gesperrt, und da er nur noch über einen Rest Bargeld verfügte, hatte er in einer billigen Pension in der Nähe von King’s Cross Unterschlupf gesucht. Wenn ich an sein schickes Apartment in der Gansevoort Street dachte, tat es mir weh, ihn in so einem Loch zu wissen. Ich schlug ihm vor, mit mir zu Viggo zu fahren, wo wir sicher ungestört sein würden, aber der Gedanke behagte ihm nicht.
Bebend vor Erwartung, erklommen wir die gewundene Treppe seiner Pension. Das lief nicht ohne Unterbrechungen ab, denn Chey drückte mich immer wieder an die Wand, um mir einen Kuss zu rauben; oder er schob seine Hand in meinen Hosenbund und streifte mit dem Finger über den Rand meines Höschen, sodass lustvolle Schauer durch meinen ganzen Körper jagten.
Als wir schließlich in dem Zimmer ankamen, warf er seine Lederjacke auf einem Sessel, setzte sich aufs Bett und schaute mich an. Trotz seiner Jeans sah ich, wie erregt er war. Er hielt den Atem an, als ich achtlos meine Kleider abwarf, mit dem Fuß zur Seite schob und meinen BH aufhakte. Keine Musik, keine langsamen, verführerischen Bewegungen. Ich hatte mich so oft für Geld vor Männern entblättert, dass ein Striptease für mich nichts Erotisches und schon gar nicht Romantisches mehr hatte.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich davon geträumt habe«, sagte er. Er sprach ganz leise, fast wie zu sich selbst. Ich trat auf ihn zu, und er hob die Hand an mein Gesicht und streichelte mir sanft die Wange. Ich drückte meine Lippen auf seine Finger und atmete den schwachen Duft seiner Haut ein. Er war mir zutiefst vertraut und wirkte ungeheuer beruhigend auf mich.
In den nächsten Stunden sollten wir fast ohne Worte auskommen. Es lag bereits so viel Ungesagtes zwischen uns, dass Schweigen am natürlichsten war.
Ich war nackt, und auch das Zimmer war fast nackt, nichts als ein Kleiderschrank, ein Nachttisch und ein Bett mit dunkelblauem Überwurf. In einer Ecke stand ein kleiner Rucksack, der vermutlich all seine derzeitigen irdischen Besitztümer enthielt.
Cheys Augen und Finger wurden magisch von dem Pistolen-Tattoo neben meiner Möse angezogen. Er sah es zum ersten Mal.
Sanft streichelte er darüber, fragte mich aber nicht, wie ich dazu gekommen war. Schließlich löste er den Blick von der Sig-Sauer-Blume, wie ich es für mich nannte, sank auf die Knie und küsste sie mit seinem weichen Mund. Seine Lippen waren warm. Seine Zunge fuhr über das Tattoo, nur knapp neben meiner Spalte, und fast hätte ich aufgestöhnt und gebettelt, er solle näher kommen. Aber ich ließ es.
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