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9 - Die Wiederkehr: Thriller

9 - Die Wiederkehr: Thriller

Titel: 9 - Die Wiederkehr: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Pen , Nadine Mutz , Hanna Grzimek
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darin einen zurückgehaltenen Impuls zu erkennen.
    »Streck ruhig die Arme aus, wenn du willst«, sagte er.
    Leo, der da draußen blind durch einen betäubenden Wind brauste, hörte nichts.
    Als sie sich dem Stadtzentrum näherten, setzte er sich wieder zurück in den Wagen. Alles war bereits vom orangefarbenen Licht der Laternen beleuchtet, die großen Sonnen in einem Sonnensystem für Insekten glichen. In der Straße zum Open, in die sie nach dem Kreisverkehr einbogen, musste Leo unweigerlich zur Schule auf der anderen Straßenseite sehen. Er spürte Schweißtropfen am unteren Rücken. Er fand es seltsam, dass ein leeres Gebäude einen Schweißausbruch auslösen konnte. Fast konnte er den Schmerz spüren, den, elektrischen Schlägen gleich, Edgars Fußtritte verursachten.
    »Dieses Jahr wird alles anders«, hatte sein Vater vorhin gesagt. Leo schüttelte den Kopf wie jemand, der eine Schuld von sich abzuschütteln versucht. Es gelang ihm, die schmerzhaften Bilder aus dem Kopf zu verbannen. Er nahm sich fest vor, im neuen Schuljahr genauso auch die einsamen Pausen im Speisesaal zu verbannen. Das einsame Warten auf der anderen Straßenseite. Das Einschließen auf der Toilette, wo er mit der Uhr im Blick auf dem Klodeckel stand, um die Schule zehn Minuten später als alle anderen zu verlassen. »Immer der Allerletzte.« Mit diesen Worten empfing ihn seine Mutter stets.
    »Dieses Jahr wird alles anders«, wiederholte er wie eine Losung.
    »Was sagst du?«
    »Ach nichts, Papa.«
    Rechts von ihnen tauchte das Open auf. Durch seinen Sohn vom Fahren abgelenkt, bog Amador mit einer heftigen Drehung des Lenkrads in den Zapfsäulenbereich ein. Er stellte sich hinter einen Wagen, der gerade anfuhr.
    »Hier störe ich wohl nicht. Du brauchst ja auch nicht lange, oder?«
    Leo blickte seinen Vater an. Durch die Windschutzscheibe hätte er jetzt einen Studenten sehen können, der mit einem Stapel Bücher unter dem Arm in den Tankstellenshop trat, um für die bevorstehende lange Nacht am Schreibtisch ein paar Dosen Red Bull zu kaufen.
    »Kommst du denn nicht mit?«, fragte er.
    Seine eine Hand begann zu zittern, und er klemmte sie unter das Bein.
    »Nein, Kleiner, das ist doch nicht nötig. Hier.« Er zog einen Zwanzig-Euro-Schein aus der Hosentasche. »Das reicht, oder? Und der Alte soll dir ja richtig herausgeben.«
    »Der Alte ist nicht mehr da. Da ist jetzt ein anderer.«
    »Lass dich jedenfalls nicht übers Ohr hauen. Los, auf. Deine Mutter meinte, sie fängt schon mit dem Essen an und …«
    »Darum geht es doch gar nicht«, sagte Leo, ohne darüber nachzudenken, und nahm den Schein. »Mama ist dir egal. Du willst nur, dass ich da allein reingehe.«
    Er rechnete damit, dass sein Vater wütend werden würde. Stattdessen verkrampfte sich seine Miene, entspannte sich jedoch kurz darauf wieder, wie bei jemandem, der seine Abwehr aufgibt, nachdem man sein größtes Geheimnis entdeckt hat.
    »Mein Lieber.« Amador stellte den Motor ab. »Wenn du wirklich willst, dass sich die Dinge ändern, musst du den Anfang machen. Das hier ist deine Sache. Du weißt, dass dir im Open nichts passieren kann. Wir haben das doch schon einmal durchgespielt.«
    Leo legte die andere Hand unter das andere Bein.
    »Papa«, begann er.
    Als er ahnte, was beim Weitersprechen mit seiner Stimme geschehen würde, verstummte er.
    »Komm schon, Leo.«
    Amador umfasste das Lenkrad mit beiden Händen, als würden sie noch fahren.
    Dann wies er mit dem Kinn in Richtung Eingang. Über den Schiebetüren blinkte die Leuchtreklame. Sie öffneten sich, als ein Mann kam, der einen Schäferhundwelpen an einen der Pfosten vor dem Laden band, an die Leos Schulkameraden immer ihre Fahrräder anschlossen.
    Bei der Vorstellung, noch einmal allein dort hineingehen zu müssen, ergriff Leo panische Angst, die sich in Wellen vom Magen bis zur Kehle schob. Er unterdrückte sie wie einen Brechreiz.
    »Ich will die Sterne nicht mehr«, sagte er ohne Zittern in der Stimme. »Ich will lieber wieder nach Hause.«
    Er warf seinem Vater den Geldschein auf den Schoß. Amadors Finger umkrallten das Lenkrad.
    »Zwing mich nicht …«, murmelte er mehr in das Armaturenbrett als zu seinem Sohn hin.
    Irgendwo in ihm hatte sich gerade eine Lunte entzündet, und er fürchtete sich vor der Explosion.
    »Ich will sie nicht mehr.«
    »Du gehst jetzt auf der Stelle da rein!«
    Ohne an sich halten zu können, brüllte er auf einmal los und schlug auf das Lenkrad ein. Zwei winzige Speicheltropfen

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