9 - Die Wiederkehr: Thriller
sprechen konnte.
Als sein Sohn fertig war, löschte Amador das Licht, und sie gingen aus dem Zimmer.
Ein wohlbekannter eisiger Schauer lief Leo über den Rücken.
An der Tür wurden sie vom Klappern der Absätze Victorias überrascht. »Linda sagt, du hättest sie gebeten, eine halbe Stunde mit dem Abendessen zu warten. Warum denn das? Du hast doch hoffentlich nicht vergessen, dass für deinen Sohn die Schule morgen wieder anfängt?«
Amador drehte sich um. Das Crushed-Ice in dem Drink in Victorias Hand klirrte bei jedem ihrer Schritte gegen das Glas. Amador assoziierte das Geräusch direkt mit dem Klirren der Eiswürfel in dem doppelten Whisky seines Vaters an jenem Abend, als er bei einer Zusammenkunft ausgedienter Advokaten in Prag auf eine gewisse Victoria Cuevas gezeigt und ihm ins Ohr geflüstert hatte: »Diese Frau interessiert dich.«
»Wir fahren kurz zum Open.«
»Ach was?« Victoria presste die Lippen aufeinander und gab mehrere Hms hintereinander von sich. »Was soll das werden? Eine Schocktherapie, von der ich noch nichts weiß?«
Sie hatte in dem Moment zu Ende gesprochen, als sie vor ihrem Mann und ihrem Sohn zum Stehen kam. Das Klappern der Absätze verstummte. Das Klirren im Glas nicht. Sie streckte die freie Hand aus und kniff Leo in die Nase. Bevor sie weitersprach, nahm sie einen Schluck von ihrem Getränk.
»Oder wollt ihr etwa türmen?« Sie sah abwechselnd von Amador zu Leo, bis ihr Blick den des Jungen erwiderte. »Das kannst du deinen Klassenkameraden doch nicht antun, die freuen sich doch bestimmt schon darauf, dich endlich wiederzusehen.«
Bei der Art, wie sie das Wort endlich aussprach – »eeendlich« – kam Amador beinahe die Galle hoch. »Ihr Name ist Victoria Cuevas und sie ist eine großartige Anwältin«, hatte Amador Cruz senior zu ihm gesagt. »Glaub mir, diese Frau wünschst du dir zur Mutter deiner Kinder.«
»Wir gehen ein paar Sterne für die Decke im Kinderzimmer kaufen.«
Victoria bedachte sie mit einem ihrer lautstarken Lachanfälle, bei denen sie affektiert den Kopf zurückwarf.
»Komm, Leo, wir gehen«, sagte Amador.
Er öffnete die Tür und bedeutete Leo hinauszugehen. Der wandte sich von seiner Mutter ab und trat auf die Straße, während ihn sein Vater sanft von hinten anschob, wie an dem Abend vor einem Monat, als er Amadors Hand auf seinem feuchten T-Shirt gespürt hatte, bevor er das Open betrat.
»Na egal, macht doch, was ihr wollt. Ich esse jedenfalls schon mal. Linda legt dir gleich deine Schuluniform ins Zimmer«, sagte sie und hob dabei die Stimme. »Sie wird dich morgen zum Frühstück wecken. Ich hole dich dann von der Schule ab, ich stehe gegenüber vom Open. Du weißt schon, wo, auf der anderen Straßenseite. Wie immer. Mal sehen, wann …«
»Schon gut, okay?«, unterbrach Amador.
Mehr sagte er nicht. Er trat aus dem Haus und schlug, heftiger als gewollt, die Tür hinter sich zu. Leo wartete draußen. Bei den Worten seiner Mutter hatte sich ihm der Magen zusammengekrampft. Er hatte wieder vor sich gesehen, wie er barfuß den Bürgersteig entlanggegangen war, so weit wie möglich im Schatten der Ampel, um das Brennen an den Fußsohlen zu lindern. Sie stiegen in den Aston Martin. Amador ließ den Motor an.
Victoria hörte den Wagen wegfahren. Ihr Glas schwenkend, ging sie zum Sofa. Sie setzte sich, legte ein Bein über das andere und stellte den Drink auf den Tisch. Dann machte sie dieses Geräusch mit den Nägeln. Immer wieder verhakte sie den Nagel des Zeigefingers mit dem des Daumens und löste ihn. So saß sie ein paar Minuten lang da. Die Augen auf die Wand gerichtet. Während der Fuß, der ein paar Zentimeter über dem Boden schwebte, wippte.
Da hörte sie den Motor eines Wagens. Amador konnte noch nicht zurück sein. Sie legte das Gesicht in Falten. Quietschende Bremsen ließen sie aufhorchen. Sie wurden immer lauter. Es hörte sich an, als würde das Auto gleich in das Haus fahren. Kurz darauf klingelte jemand Sturm.
Als Victoria die Tür öffnete und die Frau ohne Schuhe sah, wusste sie sofort, dass irgendetwas nicht stimmte.
Mit offenen Wagenfenstern fuhren Amador und Leo Richtung Open. Leo sah seinen Vater an. Als dieser nickte, streckte er den Oberkörper hinaus und ließ sich den warmen Wind ins Gesicht wehen. Er schloss die Augen und stellte sich vor, wie es wäre, die Arme hochzureißen, um irgendeinen Triumph zu feiern, obwohl ihm nicht einfiel, was es zu feiern geben könnte. Als Leos Hände zuckten, glaubte sein Vater,
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