9 SCIENCE FICTION-STORIES
zu meinem Appartement im Turm zurückginge. Außerdem waren wir jetzt Franzosen, und dieses Volk hatte von jeher den Hauch des Abenteuerlichen an sich.
Virginia plagte keinen meiner Zweifel.
Sie hatte meine Frage nicht beantwortet, stellte aber selbst Fragen über die Straße, in der wir uns befanden. Ich war als Kind erst einmal hiergewesen, aber es schmeichelte mir, ihre verwunderte, unterdrückte Stimme ganz nahe an meinem Ohr zu hören.
Dann geschah es.
Zuerst dachte ich, er sei ein Mensch, den das Licht in dem Untergrundtunnel irgendwie verkürzte. Als er näherkam, erkannte ich, daß ich mich getäuscht hatte. Seine Schultern waren etwa einsfünfzig breit. Häßliche rote Narben an der Stirn zeigten an, wo die Hörner herausgemeißelt worden waren. Es handelte sich um einen Homunkulus, der offensichtlich von einem Bullen abstammte.
Und er war betrunken.
Als er näherkam, fing ich das wirre Gedankenmuster auf, das er ausstrahlte.
»… sie sind keine Menschen, keine Hominiden, keine Homunkuli – was wollen sie hier? Die Worte, die sie denken, verwirren mich.« Er hatte noch nie Französisch aufgefangen.
Das war schlecht. Sprechen konnten die meisten Homunkuli, aber die Telepathie beherrschten nur wenige Auserwählte, die zu besonderen Arbeiten verwendet wurden.
Virginia klammerte sich an mich.
Ich dachte in klarer Umgangssprache: »Wir sind echte Menschen. Mach Platz für uns.«
Als Antwort erhielten wir nur ein dumpfes Aufbrüllen. Ich weiß nicht, womit er sich betrunken hatte. Jedenfalls erreichte ihn meine Antwort nicht.
Ich konnte erkennen, wie sich seine Gedanken zu Panik, Hilflosigkeit, Haß steigerten. Dann tänzelte er kurz und jagte auf uns los, als könne er uns mit seinem Gewicht niederwalzen.
Mein Verstand konzentrierte sich. Ich schleuderte ihm den Befehl entgegen, sofort anzuhalten.
Umsonst.
Starr vor Schreck bemerkte ich, daß ich ihm den Befehl in Französisch zugerufen hatte.
Virginia schrie auf. Der Bullenmensch kam auf uns zu.
Im letzten Augenblick machte er einen Bogen um uns, zog blind an uns vorbei und brüllte los, daß der breite Gang erzitterte.
Immer noch Virginia festhaltend, drehte ich mich um, um zu sehen, was uns gerettet hatte.
Was ich erblickte, war wirklich merkwürdig.
Unsere Gestalten liefen den Korridor entlang – mein schwarz-roter Mantel flatterte, und Virginias goldenes Kleid schien sich um ihre Beine wickeln zu wollen. Die Bilder wirkten völlig echt, und der Bullenmensch verfolgte sie.
Ich sah verwirrt umher. Man hatte uns gesagt, daß wir nach der Behandlung nicht mehr auf Schutz und Sicherheit der Instrumentalität rechnen dürften.
Ein Mädchen stand ruhig neben der Wand. Ich hatte sie beinahe für eine Statue gehalten. »Kommt nicht näher«, sagte sie, als sie merkte, daß wir auf sie aufmerksam geworden waren. »Ich bin eine Katze. Es war nicht schwer, ihn zu täuschen. Aber für euch wäre es an der Oberfläche sicherer.«
»Danke«, sagte ich, »danke. Wie heißt du?«
»Ist das so wichtig?« erwiderte das Mädchen. »Ich bin kein Mensch.«
Ein wenig verletzt, beharrte ich darauf. »Ich wollte dir nur danken.« Während ich mit ihr sprach, sah ich, daß sie so schön und leuchtend wie eine Flamme war. Ihre Haut war rein und pfirsichfarben, und das Haar – feiner als Menschenhaar – leuchtete in dem wilden Orange der Perserkatzen.
»Ich bin K-mell«, sagte das Mädchen. »Und ich arbeite auf Earthport.«
Das verblüffte sowohl mich wie auch Virginia. Katzenmenschen standen unter uns, aber Earthport war über uns und mußte respektiert werden. In welche Kategorie gehörte nun K-mell?
Sie lächelte, und ihr Lächeln galt eher mir als Virginia.
»Zerbrecht
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