9 SCIENCE FICTION-STORIES
euch nicht den Kopf wegen der Formalitäten«, sagte sie. »Hier geht diese Treppe hinauf. Ich höre ihn zurückkommen.«
Ich schnellte herum, um nach dem betrunkenen Bullenmenschen zu sehen. Er war nicht da.
»Schnell«, drängte K-mell. »Es sind Notstufen. Ihr erreicht die Oberfläche, wenn ihr hier entlang geht. Ich kann ihn nicht davon abhalten, euch zu verfolgen. War das übrigens Französisch?«
»Ja«, sagte ich. »Woher weißt du …«
»Schnell«, wiederholte sie. »Tut mir leid, daß ich fragte.«
Ich ging durch die schmale Tür. Eine Wendeltreppe führte zur Oberfläche. Es war zwar unter unserer Würde, als normale Menschen Treppen zu benutzen, aber da mich K-mell so drängte, konnte ich nichts anderes tun. Ich nickte K-mell zu und zog Virginia hinter mir her.
Oben blieben wir stehen.
»War das nicht abscheulich?« keuchte Virginia.
»Jetzt sind wir sicher«, versuchte ich sie zu beruhigen.
»Um die Sicherheit geht es mir gar nicht«, erwiderte sie. »Es ist der Schmutz. Entsetzlich, daß du mit ihr sprechen mußtest.«
Es war offensichtlich, daß Virginia K-mell mehr fürchtete als den Bullenmenschen. Sie spürte meine Zurückhaltung, denn sie fuhr fort: »Das Traurige ist, daß du sie wiedersehen wirst …«
»Was? Woher willst du das denn wissen?«
»Ich weiß es nicht«, erklärte sie. »Ich errate es nur. Und ich rate gut, sehr gut. Schließlich war ich beim Abba-dingo.«
»Ich bat dich schon vorher, Liebling, mir zu erzählen, was du dort erlebt hast.«
Sie schüttelte stumm den Kopf und ging die Straße hinunter. Ich hatte keine andere Wahl, als ihr zu folgen. Es ärgerte mich.
»Wie war es?« fragte ich noch einmal, diesmal schärfer.
Mit der Würde eines beleidigten kleinen Mädchens sagte sie: »Nicht besonders. Es war ein langer, steiler Weg. Die alte Frau wollte unbedingt, daß ich mitkam. Oben stellte sich dann heraus, daß die Maschine an diesem Tag überhaupt keine Auskunft gab. Wir erhielten die Erlaubnis, mit dem Lift zurückzufahren, bis wir wieder auf ebenem Weg waren. Es war ein vergeudeter Tag.«
Sie hatte einfach vor sich hingesehen, während sie das erzählte. Man hatte den Eindruck, daß sie nicht sehr gern an das Erlebnis zurückdachte.
Dann wandte sie mir ihr Gesicht zu. Die braunen Augen bohrten sich in die meinen, als wollten sie meine Seele erforschen. Seele – das ist übrigens ein Wort, für das es in unserer früheren Sprache keine Übersetzung gibt. Dann hellte sich ihre Miene auf, und sie bat: »Lassen wir uns den ersten neuen Tag nicht verderben. Unser neues Ich hat auch sein Recht, Paul. Machen wir etwas ganz Französisches.«
»Ein Cafe!« rief ich. »Und ich kenne eines.«
»Wo?«
»Zwei Untergrundwege tiefer. Da, wo die Maschinen herauskommen und die Homunkuli ab und zu hervorsehen.«
»Und wie heißt dieses Cafe?«
»›Zur fetten Katze‹«, sagte ich.
Zur fetten Katze. Wie konnte ich wissen, daß das zu einem Alptraum zwischen Himmel und Erde führen würde? Zu einem Alptraum, in dem die Stürme uns umtobten? Wie sollte ich annehmen, daß dieser Ausflug etwas mit dem Alpha Ralpha Boulevard zu tun hatte?
Keine Macht der Welt hätte mich hingebracht, wenn ich das vorher gewußt hätte.
Andere Franzosen hatten das Cafe schon vor uns entdeckt.
Ein Kellner mit einem dichten braunen Schnurrbart nahm unsere Bestellung entgegen. Ich sah ihn scharf an, ob er nicht ein Homunkulus mit Lizenz war. Diese Lizenz wurde manchmal erteilt, wenn es unbedingt nötig war, daß Homunkuli unter den echten Menschen arbeiteten. Aber wir hatten Glück. Er war eine reine Maschine, wenn auch in seiner Stimme die echte Pariser Herzlichkeit mitschwang. Die Konstrukteure waren sogar so weit gegangen, daß sie ihm Schweißtropfen auf die Stirn setzten, die er hin und
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