9 SCIENCE FICTION-STORIES
wieder mit einer nervösen Handbewegung abwischte.
»Mademoiselle? M’sieu? Bier? Kaffee? Nächsten Monat haben wir sogar Rotwein. Alle halbe Stunden garantiert echter Sonnenschein. Alle zwanzig Minuten für fünf Minuten Regen, damit Sie viel Spaß an Ihren neuen Regenschirmen haben. Ich komme übrigens aus dem Elsaß. Sie können Französisch und Deutsch mit mir sprechen.«
»Was nehmen wir, Paul?« fragte Virginia.
»Bier, bitte«, sagte ich. »Zwei Helle.«
»Sofort, M’sieu«, sagte der Kellner.
Er ging weg, wobei er geschäftig mit dem Geschirrtuch wedelte.
Virginia blinzelte in die Sonne und sagte dann: »Ich wollte, es würde schon regnen. Ich habe noch nie echten Regen gesehen.«
»Sei geduldiger, Liebling.«
Sie sah mich an und fragte ernst: »Was ist ›deutsch‹, Paul?«
»Wieder eine andere Sprache und Kultur. Soviel ich gelesen habe, will man sie nächstes Jahr wieder zum Leben erwecken. Gefällt es dir nicht als Französin?«
»Doch, sehr gut«, erwiderte sie. »Viel besser, als nur eine Nummer zu sein. Aber Paul …« Und dann schwieg sie und sah mich verwirrt und fragend an.
»Ja, Liebling?«
»Paul!« Sie rief meinen Namen, und es klang wie ein Hoffnungsschrei ganz aus der Tiefe ihres Inneren, jenseits der neuen und alten Welt, jenseits aller Erfindungen unserer Lords. Ich nahm ihre Hand.
»Sag es mir doch, Liebling.«
»Paul«, sagte sie noch einmal, und es war wie ein Schluchzen, »warum geht alles nur so schnell? Es ist unser erster Tag, und wir haben beide das Gefühl, daß wir den Rest des Lebens zusammenbleiben werden. Da gibt es irgend etwas, das Ehe heißt, aber ich weiß nicht, was es ist. Wir müssen einen Priester suchen, und das verstehe ich auch nicht. Paul, Paul, warum geht das alles nur so schnell? Ich will dich lieben, und ich liebe dich. Aber ich will nicht, daß jemand es so einrichtet, daß wir uns lieben. Ich will, daß du wirklich mich liebst.« Während sie sprach, rollten ihr die Tränen über das Gesicht. Aber ihre Stimme blieb fest.
Und dann sagte ich genau das Falsche.
»Du brauchst keine Angst zu haben, Liebling. Die Lords der Instrumentalität haben sicher alles genau kalkuliert.«
Daraufhin schluchzte sie laut und unbeherrscht. Ich hatte noch nie zuvor einen Erwachsenen weinen gesehen. Es war seltsam und beunruhigend.
Ein Mann vom Tisch nebenan stand auf und stellte sich neben mich, aber ich sah ihn nicht einmal an.
»Liebling«, sagte ich besänftigend, »Liebling, wir sprechen noch darüber …«
»Paul, laß mich von dir fortgehen, damit ich ganz dir gehören kann. Laß mich für ein paar Tage oder Wochen weggehen. Dann – wenn ich zurückkomme, weißt du, daß ich dich liebe und daß unsere Verbindung nicht von einer Maschine ausgeklügelt wurde. Bei Gott, Paul …« Sie unterbrach sich und sagte mit fremder Stimme: »Was ist Gott, Paul? Sie haben uns Worte gegeben, aber ich weiß nicht, was sie bedeuten.«
Der Mann neben ihnen begann zu sprechen. »Ich kann euch zu Gott bringen.«
»Wer sind Sie?« fragte ich. »Und wer hat Sie gebeten, sich hier einzumischen?« Solche Worte hätte ich nie benutzt, wenn ich in unserer alten Sprache gesprochen hätte. Aber zusammen mit der neuen Sprache hatten wir auch ein neues Temperament erhalten.
Der Fremde blieb höflich – er war Franzose wie wir, aber er beherrschte sich besser.
»Ich heiße Maximilian Macht«, sagte er. »Früher war ich ein Gläubiger.«
Virginias Augen hellten sich auf. Sie trocknete geistesabwesend die Tränen, während sie den Mann anstarrte. Er war groß, hager und sonnenverbrannt. (Wie konnte ein Mensch nur in so kurzer Zeit so braun werden?) Sein Haar war rötlich, und sein Schnurrbart erinnerte an den des Kellners.
»Sie haben nach Gott gefragt, Mademoiselle«, sagte der Fremde. »Gott ist da, wo er immer war
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