9 SCIENCE FICTION-STORIES
knochiges Gesicht verdüsterte sich. »Zwei Jahre noch, und ich wäre in Sicherheit gewesen. Aber, das ist eben Schicksal. Nehmen Sie es nicht zu schwer, Mike. Um fünfzehn Uhr werden wir uns ja wiedersehen.« Haas klopfte Dawes freundlich auf die Schulter und schlenderte von dannen.
Um fünfzehn Uhr ertönte wieder der Gong in der Halle. Die klare Stimme des Sprechers sagte: »Achtung! Achtung! Wir bitten alle Kolonisten, sich vor der Kaserne zu versammeln.« In der Halle traf Dawes Mary Elliot; die ältere Frau lächelte ihm zu und er erwiderte das Lächeln krampfhaft. Verschiedene Personen, die Dawes nicht kannte, gesellten sich beim Fahrstuhl zu ihnen, und gemeinsam fuhren sie hinunter.
»Nun, es ist soweit«, meinte Mary Elliot. »Lebwohl, Erde. Ich dachte, diese Woche würde nie enden!«
»So erging es auch mir!« rief eine gertenschlanke Brünette hinter Dawes aus. Sie mochte um die dreißig Jahre alt sein. »Aber nun ist sie doch vergangen. Also – ade, Erde.«
Drei Busse warteten vor der Kaserne. Männer in blau-gelben Uniformen wiesen Kolonisten in den ersten Bus ein, bis er vollbesetzt war und dirigierten die nächsten zum zweiten Bus. Dawes bestieg den dritten; zu der Zeit hatte der erste Bus bereits die Hälfte des Weges über das riesige Feld zurückgelegt.
Die Uniformierten versahen ihren Dienst so ruhig und unpersönlich, daß es Dawes schon ein wenig unmenschlich vorkam. Aber, überlegte er dann, sie sahen das ja dreimal pro Woche. In der ganzen Welt würden jetzt Menschen in Raumschiffe verladen werden. Bei Einbruch der Nacht würden sechstausend Erdbewohner auf ihrem Weg in eine unbekannte Zukunft sein.
Von der Nähe gesehen schien das Raumschiff Gegenschein ungeheuerlich. Aufrecht auf seinen Flossen stehend, ragte es etwa sechzig Meter vom kahlen, braunen Erdreich empor. Der Rumpf war mit einer molekülstarken Goldschicht ornamentartig überzogen; jedes der Raumschiffe hatte eine eigene, kennzeichnende Farbe. Die Luke befand sich in zwanzig Meter Höhe. Um dorthin zu gelangen, mußte man einen Aufzug benützen, der fünf Mann faßte. Eine eiserne Leiter stand jenen zur Verfügung, die klettern wollten.
Dawes hatte es nicht eilig. Er wartete geduldig, bis er an der Reihe war. wandte den Kopf, um einen letzten Blick auf die Erde zu werfen.
Die Luft in dieser einsamen Gegend war frisch und klar, vermischt mit einem intensiven Geruch; es duftete nach fernen Kiefern und Tannen. Die Sonne stand tief am Oktoberhimmel, und eine kühle Brise strich vom Norden herein.
Jetzt, im Augenblick des An-Bord-Gehens begann Dawes an alle Dinge zu denken, die er nie wieder sehen würde. Niemals mehr einen Sonnenuntergang auf der Erde, nie wieder den Mond voll und bleich am Himmel, nie wieder die vertrauten Konstellationen. Nie wieder die Pracht herbstlich gefärbter Ahornblätter, nie wieder über ein Feld stürmende Fußballspieler, nie wieder »hot dogs«, oder Buletten, oder Vanilleeis. Das waren Kleinigkeiten; aber Kleinigkeiten vollendeten eine Welt, und es war eine Welt, die er für immer zurückließ.
»Die nächsten fünf«, rief der Uniformierte.
Dawes ging schleppenden Schrittes vor und auf die metallene Plattform. Mit einem Ächzen der Seile hob sich der Aufzug. Jetzt, da er dem Raumschiff nahe war, konnte er die winzigen Male und Kerben sehen, die von früherem Einsatz Zeugnis ablegten. Von einiger Entfernung aus betrachtet, schaute es funkelnagelneu aus; von der Nähe jedoch ganz anders.
Der Aufzug hielt am Rand der Einstiegluke. Arme zogen sie ins Innere, und hinter Dawes senkte sich der Lift bereits wieder, um die nächste Ladung zu holen. Drinnen warfen schillernde Lampen ihre kalten Lichtkegel auf einen
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