9 SCIENCE FICTION-STORIES
schenkte uns beiden je 50 ccm Rye ein. »Das ist Arznei, Morgan …«, sagte ich. Er spülte das scharfe Zeug die Kehle hinunter, als handle es sich dabei um Wasser, und hielt mir stumm wieder das Glas hin. Ich schenkte nach.
Minuten später hörte er zu schluchzen auf. »Tut mir leid, Doc«, sagte er.
»Sie sind unter größerem Druck gestanden, als ihn die meisten anderen ertragen könnten«, entgegnete ich. »Sie brauchen sich deshalb nicht zu schämen.«
»Er ist irr … Welcher vernünftige Mensch würde von mir erwarten, daß ich Wiener Schnitzel und Sauerkraut und Backhendl nach süddeutscher Art aus einem Algentank heraushole? Zum Kochen habe ich für ihn nichts anderes als mikroskopisches Unkraut! – Ausgelaugte Moleküle von Haarschnitten; paketierte Aminosäure mit Zusätzen. Und er erwartet sich Gerichte, die beim jährlichen Festbankett der Freunde Escoffiers das Blaue Band davontragen würden!«
»Es ist ein altes Lied, Morgan«, sagte ich. »Zuerst rackert man sich halb tot beim Kochen, bis die Finger zerschnitten und verbrannt sind, und dann bleibt jegliche Anerkennung aus … Aber merken Sie sich: Sie sind nicht mit Winkelmann verheiratet! Ein Jahr noch, und Sie können heim. Fünfzigtausend Dollar bekommen Sie … damit läßt sich etwas anfangen; Sie werden in Ohio Ihr Restaurant eröffnen, und bis dahin haben Sie unseren fetten Fliegenden Holländer längst vergessen.«
»Ich hasse ihn«, sagte Morgan. Er griff nach der Flasche. Ich ließ ihn gewähren. Manchmal kann Alkohol ein wirksamer Verbündeter der Heilkraft der Natur sein … Eine halbe Stunde später schnallte ich Morgan in seiner Koje an, damit er sich ausschlief. Dieser therapeutische Rausch schien genau das Richtige für ihn gewesen zu sein.
Am nächsten Tag bekamen wir zum Frühstück eine Brühe von bemerkenswerter Scheußlichkeit … einen Eintopf, oder auch Chlorella vulgaris, der aussah und schmeckte wie die Spucke irgendeines schlammfressenden Seeungeheuers. Morgan, rotäugig und zittrig, entschuldigte sich mit keinem Wort; er starrte nur Winkelmann an, als warte er auf eine Bemerkung. Der Captain führte einen Löffel voll des ekelerregenden Zeugs an seine Lippen, schmatzte laut und sagte: »Magenbitter, endlich verbessern Sie sich ein wenig.«
Morgan nickte. »Danke vielmals, Sir«, erwiderte er und lächelte.
Ich lächelte ebenfalls. Morgan hatte sich überwunden. Seine geistige Abwehr war nun stark genug, um selbst den heftigsten ironischen Angriffen des Captains standzuhalten. Unser Essen würde sich wahrscheinlich für das restliche Stück dieser Fahrt verschlechtern, aber das war ein Preis, den ich gerne zahlen wollte, erhielt ich doch die Genugtuung, zu sehen, wie Willi Winkelmanns Theorie, daß man einen Koch zwingen könne, Ziegel ohne Lehm zu machen, am Boden zerstört wurde. Der Captain hatte es zu weit getrieben, kein Zweifel. Seinen Ketchup würde er für die kommenden Mahlzeiten in der Tat brauchen …
Das Mittagessen war beinahe genauso fürchterlich wie das Frühstück. Der Kaffee schmeckte nach Salz und blieb größtenteils stehen. Die Männer protestierten heftig und gaben dem Captain – in dessen Abwesenheit – die Schuld an dem Niedergang ihres kulinarischen Standards. Morgan schien das Ganze nicht zu berühren. Er servierte die »Algaeburger« und beeilte sich, zurück in seine Kombüse zu kommen, taub gegenüber den Vorwürfen seiner Kameraden.
Da nur drei Sitzgelegenheiten im Messeabteil der Säle vorhanden waren, nahmen wir unsere Mahlzeiten in Schichten ein. Als ich an jenem Abend die Leiter hinabstieg zum Essen, füllte ein durchdringender Bratengeruch meine Nase, ein Duft, der
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