9 Stunden Angst
Offenbar wurden diese Schüsse von dem verletzten Tommy Denning abgefeuert. Wer auch immer ihn angegriffen hat, er ist offensichtlich gescheitert.«
»Scheiße!« Hooper ließ die Faust auf den Schreibtisch niedersausen. Die goldene Regel bei jeder Geiselsituation lautete, dass die Belegschaft der Verhandlungszelle ihre Gefühle im Griff haben musste. Dass Hooper sich nicht daran hielt, war für Ed ein weiterer Beweis für dessen Fehlbesetzung. Der Mann ließ zu, dass seine persönlichen Befindlichkeiten seine Professionalität beeinträchtigten. Wenn Hooper Polizist gewesen wäre und Ed sein Vorgesetzter, hätte er ihn längst suspendiert.
»Also gut, Konzentration bitte«, sagte Ed. »Ist jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt, eine Spezialeinheit in den Tunnel zu schicken? Denning scheint verletzt zu sein, was bedeuten könnte, dass er sich leichter überwältigen und unschädlich machen lässt.«
»Ich weiß gar nicht, ob überhaupt noch die Möglichkeit dazu besteht«, erwiderte Laura. »Laut Boise wird zwar weiterhin mit Hochdruck an potenziellen Zugriffsszenarien gearbeitet, aber da das Wasser mittlerweile gestiegen sein dürfte, muss erst eine Spezialausrüstung angefordert werden. Wir haben inzwischen die Handynummer des Zugführers George Wakeham, können ihn jedoch nicht erreichen, weil das Gerät, das er laut seinem Anbieter besitzt, nicht internetfähig ist.«
»Können wir nicht für Handyempfang im Tunnel sorgen?«
»Es war schon kompliziert genug, die WLAN -Verbindung zu installieren«, antwortete Laura. »Dort unten innerhalb einer vertretbaren Zeitspanne für Mobilfunkempfang zu sorgen, wird leider nicht möglich sein.«
»Was ist mit den Geiseln? Was sagen wir denen?«
»Wir verschicken bereits allgemein gehaltene E-Mails an alle, deren Kontaktdaten wir herausfinden konnten, und versichern ihnen, dass wir alles tun, um sie dort rauszuholen.«
»Vielleicht sollten wir ihnen raten, unter allen Umständen zu versuchen zu fliehen.«
Niemand antwortete, und auch Ed war insgeheim klar, dass sich dieser Vorschlag niemals durchführen ließ. Im Raum schien es noch heißer und stickiger geworden zu sein. Inzwischen war eine mobile Klimaanlage hereingeschoben worden, die in einer Ecke vor sich hin brummte, aber kaum etwas brachte. Die Deckenventilatoren betonten die Hitze noch, indem sie hin und wieder für kühlere Luftströme sorgten, gegen die sich die Hitze umso brutaler anfühlte. Ed nahm die Sonnenbrille ab und betupfte sich mit einem Taschentuch die Augen, bevor er sie wieder hinter den Brillengläsern verbarg.
»Ich würde gerne anmerken, dass es vielleicht eine Möglichkeit gäbe, das Wasser aus dem Tunnel abzuleiten.«
Ed hatte Professor Moorcroft ganz vergessen, der an einem Schreibtisch in der Ecke gesessen hatte und sich nun zu Wort meldete. Den anderen im Raum ging es offenbar genauso. Von Rechts wegen hätte sich der Professor überhaupt nicht mehr in der Verhandlungszelle aufhalten dürfen, aber über Dennings bevorstehende Rede und die Schüsse, die danach gefallen waren, hatte man ihn vollkommen übersehen.
Ed drehte sich in seine Richtung. »Und wie sähe diese Möglichkeit aus?«
Die plötzliche Aufmerksamkeit, die er mit seinem Einwurf auf sich gezogen hatte, schien Moorcroft unangenehm zu sein. Er räusperte sich nervös und klang längst nicht mehr so optimistisch, als er sagte: »Na ja, ich habe mir die Pläne für diese Teilstrecke der Northern Line angesehen, weil ich die Hoffnung hatte, dass die Richtung Süden führende Tunnelröhre direkt an die Röhre in nördlicher Fahrtrichtung angrenzt oder sich zumindest in der Nähe befindet. Leider ist dies nicht der Fall.«
Ed kämpfte gegen das Verlangen an, den Professor zur Eile anzutreiben.
»Es gibt jedoch einen anderen Tunnel«, fuhr Moorcroft fort, »der in der Nähe der Stelle verläuft, an der der Zug steht. Dabei handelt es sich um einen Versorgungsschacht, der in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gegraben wurde. Er verläuft etwas tiefer als der Northern-Line-Tunnel zwischen Leicester Square und Tottenham Court Road.«
Ed versuchte vergeblich, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. »Bitte sagen Sie uns doch einfach, was wir tun können.«
Genervt hörte er zu, wie dieser Mann, der sein ganzes Leben innerhalb der akademischen Welt verbracht hatte, stammelnd um den heißen Brei herumredete. Völlig wirklichkeitsfremd, hieß es oft über Wissenschaftler. Am liebsten hätte er Moorcroft
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