90 Tage auf Bewaehrung
nicht krampfartig übergeben. Das Süppchen war auch ganz lecker...
Während er mit Ella spazieren ging, hüpfte ich unter die Dusche (nun gut, ich lahmte noch etwas - aber das sah ja jetzt keiner, ich war so tapfer!), wusch mir die Haare, salbte, cremte und pflegte mich. Für dieses Programm hatte ich genau zehn Minuten - er wollte nur eine kleine Runde gehen. Ich schaffte es knapp - sogar ein kleines Make-up war noch drin. Er kam gar nicht so gut gelaunt nach Hause. Und seine Nase war auch ganz rot. Er schnappte nach Luft. Musste sich erst mal setzen. Ich stellte befriedigt fest: Meine Lebensgeister waren wieder da! »Was ist denn los, Schatz?«, fragte ich. »Freust du dich gar nicht, dass ich wieder gesund bin?«
»Ich glaube, ich habe mich angesteckt«, rotzte er. Er sah auch wirklich nicht gut aus. Das passte jetzt aber überhaupt nicht in meine aktuelle Abendplanung. Ich hatte uns gerade mit Jörg und Ronja zum Italiener verabredet. Musste ja schließlich wieder mal was essen nach meiner Zwölf-Stunden-Grippe!
Ohne auf mich einzugehen, legte er sich ins Bett und zog sich die Decke bis zur Nasenspitze. Was war denn das jetzt? Hallo! Wir haben was vohor! »Süße, mir geht’s gar nicht gut. Kannste mal bitte die Vorhänge zuziehen? Und ist denn noch ein bisschen was da von der Hühnersuppe? Ich fühl mich so beschissen...«
Also, jetzt konnte er sich doch auch mal zusammenreißen. Er tat ja gerade so, als hätte sein letztes Stündchen geschlagen. Das war ja nun wirklich typisch Mann. Männer und Erkältungen... Weicheier. Zum Glück kriegen Frauen die Kinder …
Aber ich wollte mal nicht so sein. Ich sagte Ronja und Jörg
ab, servierte ihm die Hühnersuppe, fand noch eine alte TKKG-Kassette für ihn und mich und legte mich zu ihm. Mal ganz ehrlich: Bin ich nicht’ne Frau zum Heiraten?
Seine Freunde
Ich habe überlegt, wie ich dieses Kapitel nennen soll: »Seine Freunde« oder doch lieber »Seine so genannten Freunde«. Wir wissen alle: Freunde sind das Wichtigste im Leben, manchmal sogar wichtiger als die Familie. Der Unterschied liegt eindeutig darin, dass wir uns Freunde aussuchen können. Meine Freunde, die Sie ja schon zum Teil recht gut kennen, sind seit sehr vielen Jahren an meiner Seite - manchmal enger, manchmal weniger eng, aber immer da. Sie gehen auch die unbequemeren Wege mit mir. Wenn es um Kritik geht, um schlechte Zeiten, während Selbstfindungskrisen genauso wie in Liebesangelegenheiten. Wir sind füreinander da. Sie hören zu, ertragen auch mal Ungerechtigkeiten oder Zeiten, in denen ich abtauche, behalten Geheimnisse für sich und sind ehrlich. Sie gönnen mir alles Gute und freuen sich, wenn’s richtig super läuft - egal, ob im Job oder privat. Umgekehrt gilt das genauso.
Ich war natürlich der Meinung, so sei es auch bei ihm und seinen Freunden. Ich Dummerle, ich!
Endlich - nach nun fast sechs Wochen - sollte ich seinen besten Freund Andreas und dessen Frau Gina kennen lernen. Der Plan war zunächst, dass Andreas, ein angeblich exzellenter Hobbykoch, für uns kochen sollte. Allerdings verließ ihn dann kurzfristig die Lust, und WIR sollten kochen - also mein Liebster und ich. Haha, selten so gelacht (meine Küchenleistung kennen Sie ja inzwischen). Wir kauften das
Buch »Kochen für blutjunge Anfänger« und nahmen das erste Rezept mit der Anmerkung »besonders simpel«. Backkartoffeln mit Fischstäbchen. Schmeckte lecker.
Ich war wirklich sehr aufgeregt und habe lange überlegt, was ich zum Beispiel anziehen sollte. Ich entschied mich für die ganz schlichte, sportliche, nette, unauffällige Variante: Jeans, Karohemd, Turnschuhe. Kurz davor erfuhren wir, dass sich noch ein weiteres Pärchen angeschlossen hatte, Detlef und Tamara, eigentlich ganz nett. Auch Freunde, nicht ganz so eng, aber doch gut. Und ich verstehe jetzt auch rückblickend, warum die plötzlich mitkommen wollten: Es macht ja vielmehr Spaß, sich »die Neue« zu viert anzugucken um hinterher gemeinsam zu asseln!
Bitte, ich versuche ernsthaft, wirklich neutral Bericht zu erstatten - aber ich kann nicht! Der Abend glich einer Hexenverfolgung im Mittelalter. Ich war die Hexe.
Es klingelte, er öffnete. Ich stand in der Küche und kümmerte mich um die Kartoffeln. Gina, auch älter als ihr Mann, kam in Röckchen, Netzstrümpfen und Highheels. Tamara, Einkäuferin für ein Modelabel, trug ein olivgrünes, hautenges Nichts mit Neckholder drunter - noch mal nichts - bei gefühlten minus 30 Grad draußen! Sie
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