~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
wäre auch nur annähernd davon berichten zu wollen.
Die Betten der Herberge erweisen sich nach unserem Abend in der Bar als nicht sonderlich gut. Völlig durchgelegen. Der Alkohol hilft Gott sei Dank beim Schlafen. Ich ziehe sehr müde mitten in der Nacht ein Fazit: Die beste Bar des Camino, dafür die schlechteste Herberge.
11.09.08 24km nach Leon - Hochgeschwindigkeit durch Restalkohol
Als ich aufwache habe ich das Gefühl nur fünf Stunden geschlafen zu haben. Ob es stimmt? Ich weiß nicht … ich kann mich nicht an die Uhrzeit erinnern, als wir ins Bett fielen. Ich wecke Bianca so freundlich es nach einer durchzechten Nacht eben geht und schon sind wir auf dem Weg. Bianca zieht ein ordentliches Tempo an, das ich nur eine Weile mitzuhalten imstande bin. Der Restalkohol macht das Laufen leichter und schneller. Bianca bleibt in gleicher Entfernung vor mir. Das spornt mich an, ich möchte dranbleiben. Eine kleine Verfolgungsjagd beginnt. Der Weg führt lange eine Straße entlang. Wie so häufig grüßen einige Autofahrer freundlich. Das steigert die Geschwindigkeit abermals. Irgendwann überhole ich sogar jene, die in einer Stadt sechs Kilometer weiter heute Morgen gestartet sind. Durchschnittsgeschwindigkeit 6 km/h, mein persönlicher Rekord. Eine gemeinsame Kaffeepause bringt Kraft und mich und Bianca wieder zusammen. Zu zweit geht es weiter.
Nach einiger Zeit müssen wir dann, sehr abenteuerlich, die zweispurige Straße überqueren der wir so lange gefolgt sind. Ein mutiger Sprint zwischen den Autos hindurch ist die einzige Möglichkeit. Einen Zebrastreifen oder gar eine Ampel gibt es nicht. Kurz müssen wir den nächsten Pfeil suchen und dann geht es auch schon durch die Vorstadt Leons. Die Wegführung in Leon selbst ist grausam – wie so oft in den Städten. Ohne meinen kleinen roten Wanderführer wäre ich völlig verloren. Inzwischen hat es auch angefangen zu regnen. So müssen wir kurz vor dem Ziel noch in unsere Regenkleidung schlüpfen.
Schnell checken wir in der Herberge ein, dann geht es schon zur Kathedrale. Dort findet gerade ein Gottesdienst statt. Gesänge durchfluten das Gotteshaus in sanften Wellen. Lange bin ich nicht mehr in einem Gottesdienst gewesen, mit Bianca bleibe ich stehen und lausche den Klängen. So bleiben wir dann doch eine ganze Weile dort.
Dann brechen wir ganz plötzlich auf. Bianca hat ein Date, muss nachsehen ob er schon wartet. Plötzlich sind wir wieder herausgerissen aus der Stille. Er ist nicht da. So gehen wir etwas essen, dann das Internetcafe suchen und benutzen. Wir trinken noch einen Kaffee und betrachten PilgerInnen und Einheimische. Ein buntes Treiben zieht an uns vorbei, wie es in Großstädten meistens üblich ist. Die Pilger sind hier sogar oft in der Unterzahl. Eine seltsame Ausnahme ist es unter ‚normalen‘ Menschen zu sein.
Plötzlich springt Bianca auf, sie hat wohl in der Masse ihre Verabredung erspäht. Ich lasse die beiden sehr schnell in Ruhe und verlaufe mich kurz darauf kräftig in der Stadt, obwohl ich vorher lange meinen Reiseführer studiert habe um herauszufinden wohin ich gehen muss. Scheinbar ist auch mein kleiner roter Helfer nicht allwissend. Oder ich habe zu ungenau gelesen um ihm folgen zu können. Nach einigem hin und her erreichte ich dann doch mein Ziel: Ein Museum. Dort bestaune ich die lagernden Bücher und andere antiken Gegenstände. In der Bibliothek möchte ich direkt einziehen, so sehr gefällt mir Geruch und Aussehen der scheinbar uralten Werke, von denen ich leider kein einziges lesen kann. Latein ist eine mir fremde Sprache.
Sowohl auf dem Hinweg zum Museum als auch auf dem Rückweg spiele ich Touristenbelustigung und erzähle ein wenig vom Pilgerleben. Leicht ist das nicht, jeder Tag ist doch fast gleich, nur ganz besondere Momente erzähle ich oft und immer wieder gerne.
Nachdem ich mich noch zwei Mal verlaufen, eingekauft und geschrieben habe, unterhalte ich mich mit Ingrid und Ursula aus Deutschland. Ingrid erzählt von den Problemen, die entstehen können wenn man zusammen aufbricht. Einer aus ihrer Gruppe kann wegen Blasen nicht mehr so schnell weitergehen. Es bereitet ihr viele Sorgen. Einerseits möchte man den guten Freund natürlich nicht einfach zurücklassen, andererseits dem eigenen Sehnen folgen, dem Weg weiter zu folgen.
Später sinke ich erschöpft in mein Bett. Ein guter aber auch sehr anstrebender Tag. Typisch Großstadt.
12.09.08 24km nach Villar de Mazarife - Ein großer Haufen an
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