~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Gedanken, eine Rettung aus dem Badezimmer und Bratkartoffeln zum Abendbrot
Ich hatte eine furchtbare Nacht. Die Betten in der Benedektinerherberge quietschen grausig jedes Mal wenn sich irgendjemand umdreht. Über mir schläft natürlich jemand der dies andauernd tut. Früh am Morgen, es wird wohl kurz nach fünf sein, packen die ersten lautstark ihre Rucksäcke, so dass die Nacht unnötig noch kürzer gemacht wird. Nachdem ich ewig wach gelegen habe winde ich mich aus meinem warmen Schlafsack und gehe hinaus.
Es gibt ein sehr reichliches Frühstück, vorbereitet und kostenlos (auf Spendenbasis) zur Verfügung gestellt von den Nonnen. Ein wenig gutmütiger verlasse ich das Kloster, die Müdigkeit immer noch in den Knochen.
Aus Leon heraus gehe ich mit einer großen Gruppe, etwas später dann mit Sophie. Vier Augen sehen einfach mehr als zwei, und mit zehn Augen ist es dann schon weniger wahrscheinlich, dass alle die Pfeile übersehen. Als wir aus der Stadt raus sind trennen sich unsere Wege schnell. Jeder muss seinen Weg alleine gehen. Da ich den Weg vorher in meinem roten Helfer gut studiert habe, muss ich bei den verschiedenen Abzweigungen nicht lange suchen.
An der ersten großen Kreuzung hat sich eine kleine Menschentraube gebildet, die sehr verdutzt schaut, als ich ohne anzuhalten den Weg nach links einschlage. Zwei Damen folgen mir auf Anhieb, sie vertrauen wohl darauf, dass ich den richtigen Weg weiß. Auch als danach Pfeile fehlen gehe ich schlicht den Weg, der mir am wahrscheinlichsten scheint - und sie folgen mir wieder. Was ich in dem Moment noch nicht ahnen kann ist, dass Judith und Sabine für den gesamten restlichen Jakobsweg für mich zu den vertrautesten und wichtigsten Wegbegleitern werden sollen. Von ihnen erhalte ich den Spitznamen McDuff, da ich schnurstracks voran marschiert bin.
Die Herberge, die ich zusammen mit den beiden auswähle, ist schön und sehr interessant. Allein der Name Jesus lässt nicht auf das Innere schließen. Alle Wände und Decken sind von Pilgern beschrieben, mit verschiedenen Stiften, vielen Farben. Lebensweisheiten, witzige Sprüche, Teile eines Tagebuches finden sich hier - und natürlich die üblichen Anfeuerungen für die Nachfolgenden. Wir beteiligen uns alle an der Aktion und Judith, deren Spitzname nicht umsonst Blisterqueen, die Königin der Blasen, ist, macht ein Foto mit ihren zerlaufenen Füßen unter dem Spruch ‚to compeed or not compeed – that ist he question’. Ich trage meinen Spruch ‚Dreams are for free today’ bei und hoffe, dass er von denen die nach mir kommen jemanden zum Lächeln bringt. Träume sind heute gratis. Morgen sicherlich ebenso.
Später am Tag habe ich mal wieder viel Zeit über verschiedene Dinge nachzudenken. Wie ich nun einmal bin sortiere ich sie mir ein, in mein Buch, auf meine weißen Seiten.
Gedanke 1: Mein Körper hat sich wirklich schnell an die Belastungen gewöhnt. Trotz der Schmerzen hat alles seinen ganz eigenen Rhythmus. Das frühe Aufstehen, die Verdauung und sogar die Schmerzen gehen einen regelmäßigen Gang.
Gedanke 2: Fast jeder Pilger scheint irgendein Feindbild zu haben, das sich im Laufe der Zeit auf dem Jakobsweg auch verschieben oder verändern kann. Für manche sind es die Buspilger, die immer in Scharen auftauchen und sehr kleine Rucksäcke tragen, in denen sie Essen und Trinken transportieren. Für andere sind es Pilger, die mit kleinen Kindern unterwegs sind, die in der Nacht auch schon einmal weinen, wie es Babys tun. Dann gibt es noch die Fahrradpilger, die auch immer in Gruppen auftauchen und vorbeisausen; Die Angeber, die mit viel Geld unterwegs sind und nie in Herbergen übernachten; jene die mit Kilometerzahlen Werbung laufen; dauernd schlecht gelaunte; die Undankbaren.
Klischees säumen den Weg der ‚Feindbilder‘. Ganz gleich wohin man auch kommt oder wie sehr man versucht ihnen aus dem Weg zu gehen, man trifft immer wieder auf sie. Zweifelsohne tauchen sie dann auch immer zum absolut falschen Zeitpunkt auf. So wird auf dem Jakobsweg nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Ausdauer gefordert und eben diese ist manchmal gefährlich erschöpft. Der Weg fordert dich, er bringt dich an den Rand jeglicher Erschöpfung. Schnell werde ich dann wütend über unsinnige Kleinigkeiten. Aber auch dieser Teil des Weges muss gegangen und durchlebt werden. Manchmal muss ich wohl über manche den Kopf schütteln, andere belächeln und vor dritten förmlich
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