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blieb, waren doch Geschwindigkeiten von umgerechnet 125 Meilen in der Stunde nirgendwo außerhalb der Rennstrecken zugelassen. Selbstverständlich hielt sich Esslinger als Porsche-Fan nicht an die Vorgaben.
Bekannt geworden ist die Anekdote, als er im Juli 1986 Steve Jobs von einem Termin in Deutschland schnell zum Flughafen nach Frankfurt bringen musste, die amerikanischeLuftwaffe hatte gerade Libyen als Vergeltung für das Lockerbie-Attentat bombardiert und Jobs musste sofort zurück in die Apple-Firmenzentrale. Esslinger drückte auf das Gaspedal und Jobs bedankte sich mit den Worten: »Danke, dass du mir gezeigt hast, was ein Porsche alles kann.« Als er in San Francisco gelandet war, rief er an, um zu gestehen, dass der Flug ziemlich langweilig gewesen sei im Vergleich mit der rasanten Fahrt im Elfer. Auch Jobs fuhr damals gerne schnell. Sein Elfer war schwarz, der von Esslinger war weiß – im Apple-Design. Der funktionale Minimalismus von Apple ist verwandt mit dem Schnörkellosen des Porsche-Designs.
»Einen typischen Porsche kann man anfassen«, erklärte Ferdinand Alexander. »Er hat einen Körper. Er ist eine Sie.« Mit diesem Genderphilosophen herausfordernden Statement brachte er die verwirrende Attraktion der Porsches und seines besonders menschengestaltlichen Elfers auf den Punkt. Es war ein leistungsfähiger Mann in der Gestalt einer Frau. Für Ralf Bönt erinnert der Elfer eher an eine Raubkatze, egal ob er gerade lungert, schläfrig herumtappt oder in vollem Geradeauslauf die Welt um sich herumströmen lässt, um gierig mit ihr eins zu werden. Die Hüfte des Elfers sei das Meisterwerk, erklärt der leidenschaftliche Elfer-Fahrer Bönt. Ein Jaguar E-Type sehe verglichen mit einem Elfer aus wie ein Clownsschuh und die Ferraris wie plattgedrückte Käsereiben.
Esslinger hat stets betont, dass die Designer seiner Generation, der auch Rams und Ferdinand Alexander Porsche angehörten, das »form follows function« weniger als Gestaltungsanspruch denn als der Gestaltung zugrunde liegendes Prinzip verstanden. Der Satz war aus der Beobachtung derNatur abgeleitet worden und aus der Erkenntnis, dass in ebenjener Natur die Form stets der Funktion gefolgt sei, um zu überleben. In den Worten von Steve Jobs: »Design is not just what it looks like and feels like. Design is how it works.« Es war also eine evolutionäre Umdeutung des ästhetischen Idealismus der klassischen Moderne. Das gab den Objekten eine naturidentische Charakteristik. Mehr noch: Als Esslinger in den 80er Jahren für Apple designte, sollten die Computer wie Lebewesen sein oder wie eine Extension des eigenen Ichs. Jobs’ Vorbild war, gemeinsam mit Esslinger, ein Porsche-artiges Design.
Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass Jobs auch einen silbernen 928er fuhr. Als Jobs bei Apple ausstieg, blieb er Porsche und speziell dem Elfer treu. Auch andere Masterminds der digitalen Revolution wurden Porsche-Kunden. Bill Gates kaufte sich 22-jährig 1979 einen Porsche 911 Turbo in Türkismetallic, 1988 sogar einen 959er, der andere Microsoft-Gründer Paul Allen entschied sich ebenfalls für dieses Produkt analoger Grundlagenforschung aus Weissach. Da der 959er nicht für amerikanische Straßen zugelassen war, musste der damalige amerikanische Präsident eigens ein Gesetz unterzeichnen, das derart exotische Gefährte zuließ.
Für Gates wie Jobs definierte die perfekte »usability« die Qualität von Soft- wie Hardware. Technik benötigte ideale Schnittstellen zur Biomechanik des menschlichen Körpers. Bis zum Ideal der Verschmelzung reichte das Zusammendenken von Produkt und Nutzer. Die futuristische Idee war, dass die Menschen sich den Geräten (oder in Heideggers Worten der Herrschaft des Gestells) anpassen sollten, die viel modernere Idee war, dass die innovativsten technischen Konzepte biomorphe Gestalt annehmen sollten.
Bis heute reden die Designer bei Porsche von den Schultern und dem knackigen Hintern beim Elfer, strahlen auch vom Leben erschöpfte Greise beim Anblick des neuen Elfers. Er ist eine muskulöse Frau und voller Leben. Auch der Designer der Porsches des 21. Jahrhunderts, Michael Mauer, pflegt eine verräterische Semantik. Die Sprachbilder, mit der der ebenfalls drahtige, humorvolle Designer von seinem Entwurf erzählt, sind durchweg anthropomorph. Er spricht von den hochgezogenen Schulterlinien, dem wohlproportionierten Hinterteil und den sehnigen Muskeln an den Kotflügeln.
Die Schwäche von Designern und
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