911

die Zeiten, in denen Porsche über ein Ende der Produktion des Porsche 911 nachdachte, vorbei waren. Mit dem 964er wird der Elfer zum ewigen Porsche und alle anderen Modelle gruppieren sich um diesen Wagen herum. Er wurde offiziell, was er im Bewusstsein der Porsche-Freunde schon längst war: Sinn- und Leidenschaftszentrum der Marke.

Moodys Porsche:
der Hipster-Elfer
    Dieses Porsche-Modell sollte zum Liebhaber-Objekt antinostalgischer Nostalgiker werden. Anders als Ur-Elfer und G-Modell war der Wagen vollverzinkt und mit Airbag ausgestattet, kam ohne Chroma als Sportwagenparkett aus und hatte eine modern nüchterne Prätentionslosigkeit. 2007 wird ein schwarzes 964-Cabrio zum Koprotagonisten der amerikanischen Skandal-Fernsehserie »Californication« über einen sexsüchtigen Schriftsteller aus New York. Er ist der charmante Asoziale und Bohemien, der seine treueste Beziehung mit seinem Elfer unterhält. Der Wagen ist stets lädiert, meist ungewaschen und wie ein Spiegel der düsteren, verkommenen und doch ursprünglich ergreifend schönen Seele des Helden. Als er sich zu Geld gekommen einen neueren Porsche zulegt, wird dieser gestohlen und Moody landet wieder bei seinem 91er-Baujahr. In der vierten Staffel crasht Moodys Tochter Becca sein Cabriound der vergebende Vater kauft sich ein ähnliches Modell beim Gebrauchtwagenhändler. Noch auf dessen Hof schlägt er dem Cabrio den rechten Scheinwerfer in Stücke, damit dieses Fahrzeug an seinen alten Wagen erinnert.
    Der Berliner Schriftsteller Moritz Rinke sucht seither nach einem 964er. »Es gibt«, so Rinke, »eine bestimmte Art, wie Hank Moody die Tür seines Porsche zuschlägt, wie er das Auto verdrecken lässt, wie er beim Neukauf extra einen Scheinwerfer einschlägt; er überhöht seinen Porsche nicht, er will ihn beiläufig besitzen und wirkt so, als sei er auf ganz natürliche Art mit seinem Porsche verwachsen, unaufgeregt, so als sei es ganz natürlich, dass Hank Moody dieses Auto zum Leben braucht. Er hängt auch an ihm, denn immer, wenn er im Porsche sitzt, fallen die Sorgen von ihm ab, natürlich hat er auch Sex im Porsche, aber er schläft auch allein im Porsche, weil er kein richtiges Zuhause hat. Einmal zum Beispiel, da fährt er auch mit seiner Tochter, also sie darf fahren, und das ist eigentlich eine sehr zärtliche Szene, eine der eher rührenden Szenen der Serie.«
    Hank Moodys Art, einen Elfer zu fahren, versucht die Wurzeln des Elfertums, die im Erfolg und der Massenproduktion verloren gegangen sind, wieder freizulegen. Eigentlich will Moody den 964er zu einer Art Ur-Elfer verlottern lassen. Auch vor »Californication« fand der 964er ungewöhnliche Anhänger, die in diesem Elfer etwas ziemlich Eigenwilliges sahen. Heinz Gindullis zum Beispiel. Der in Nürnberg Geborene hat Berlin-Mitte wenn nicht erfunden, so doch zumindest miterfunden. Wie so viele hedonismusbegabte junge Menschen kam er nach dem Fall der Mauer in jene einst stolze Stadt. In ihren Ruinen entdeckten die Bürgerkinder aus ganz Deutschland, ganz Europa und schließlich vom Rest der Welt eine Art überdimensionierten Geschichtsparkund Abenteuerspielplatz. Heinz, den alle »Cookie« nennen, begann in kleinen, heruntergekommenen Kellern und leerstehenden Ladengeschäften seinen Barbetrieb und wurde schnell eine der umtriebigen Figuren des Berliner Nachtlebens. Irgendwann liefen die Geschäfte so gut, dass sich der 1,95 große junge Mann mit der Glatze einen Kindheitstraum erfüllen konnte: einen Porsche 911. Mit den Matchbox-Porsches hatte er schon als Kind gespielt. In seiner Familie war er der Erste mit Führerschein. Mutter, Vater, Geschwister hatten keinen. Insofern war ein Porsche auch eine existentielle Unabhängigkeitserklärung.
    Dass er im Jahr 2000 einen schwarzen 911 Carrera, Baujahr 1992, in Anthrazit kaufen sollte, geschah ebenso zufällig wie das Wachsen seines Nachtlebenunternehmens. Einer seiner DJs, Künstlername Zodiac, reparierte und verkaufte im Hauptberuf Elfer. »Ich habe das Auto für dich«, erklärte er Cookie und stellte ihm einen Porsche 993 vor den Club, der Cookie aber tief enttäuschte. Das Auto war zu geschleckt, zu brav und zu kultiviert. Zodiac ließ sich bei der Missionierung nicht entmutigen. Wenig später klingelte er wieder an. Jetzt habe er wirklich den richtigen Porsche gefunden, sprach’s und brachte jenen 964er vorbei, den Cookie seither fährt. Es war, um es ein wenig romantisch zu formulieren, Liebe auf den ersten Blick. Der Preis war okay,