911
beim Blick in den Innenspiegel immer darauf aufmerksam gemacht wird, dass er einen »Jubi« fährt. Die Selbstmusealisierung des Elfers hat mit dem »Jubi« seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Plakette im Innenraum macht ihn zu einem Exponat der Technikgeschichte, das im Zweifel in seinem »white cube«, der Garage, ausgestellt wird oder auf Ausstellungstourneegeht, wenn es zu »Jubi«-Treffen rollt oder bei den sonntäglichen Ausfahrten. Museen als Speicher- und Präsentationsorte von materiellen Sachzeugen besitzen eine statische Autorität, die der »Jubi« überall dort erhält, wo er sich hin- und damit ausstellt. Mit der Plakette, die auch auf dem »Jubi«-Jubiläumsposter 2013 prominent gezeigt wird, entrückt dieser Porsche den Niederungen des Fahrzeugs und des Wegwerfproduktes Auto. Die Kanonisierung der Elfer-Modellgeschichte wird mit diesem Jubiläumsfahrzeug durch Porsche vorangetrieben. Der Sportwagen als Kulturgut nähert sich auratisch einem historischen Dokument auf der einen und einer Skulptur auf der anderen Seite an.
Porsche hat mit dem »Jubi« als Ready-made-Museum und später mit dem eigenen Porsche-Museum verstanden, dass die Institution Museum für eine Kulturnation wie die Deutschen ein denkbar populäres Medium der Wissensproduktion und -vermittlung ist. Als Institutionen des Sammelns, Bewahrens und Ausstellens sind Museen symbolisch hoch besetzt und gleichsam kulturell umkämpft – sie gelten als »kultureller Schlüsselort«, weil in ihnen die abstrakte Idee von Geschichte und Repräsentation konkret und anschaulich wird. Porsche zog es vor, seine Geschichte selbst zu schreiben, um so anderen zuvorzukommen. Auch deshalb sind das Museum in Zuffenhausen und das hochprofessionelle Archiv mit seiner leidenschaftlichen Führung mindestens so produktiv bei der Schaffung von Porsche-Exegesen und der Förderung von historischen Dissertationen, wie es die Entwickler bei der Aktualisierung eines Sportwagenkonzeptes wie desjenigen des Elfers sind. Der Blick in die Zukunft der Ingenieure fußt auf der Pflege der Vergangenheit durch Museum und Archiv. »Herkunft aber bleibt stetsZukunft«, raunte Martin Heidegger 1953. Sein Verleger Günther Neske aus Pfullingen war übrigens leidenschaftlicher Porsche-Fahrer und es halten sich hartnäckige Gerüchte, dass Heidegger gerne in Neskes Porsche mitfuhr. Da steht die Heidegger-Forschung erst am Anfang. Was wäre das für eine Pointe für die Theorie der Kehre, wenn sie in einer Heckschleuder mitgedacht worden wäre.
Wichtig für den Ruhm des 964ers war auch die neue Werbekampagne einer damals noch jungen Werbeagentur namens Jung von Matt. Als die beiden Newcomer eingeladen waren, um den Porsche-Etat mitzupitchen, gelang ihnen ein Coup aus dem Geiste des Elfers. Die etablierten Agenturen kamen in doppelter Mannschaftsstärke nach Zuffenhausen, um zu präsentieren: aufwendig, multimedial, prunkvoll. Holger Jung und Jean-Remy von Matt dagegen reisten im Porsche an, stellten sich vor die Vorstände und sagten: »Wir sind zu zweit hier, weil in einen Porsche nur zwei Leute reinpassen.« Mit diesem Satz, so stellt der Werbekollege Amir Kassaei neidvoll fest, hätten die beiden den Etat gewonnen: »Sie hatten die Essenz des Unternehmens verstanden.« Heraus kam die Kampagne »So baut man Sportwagen«. In grellen Farben und mit etwas überheblichen Sprüchen sollte die Marke emotional wiederbelebt werden, nachdem über Jahre und Jahrzehnte vor allem nachdenkliche Miniessays mit kleinen Bildern den Reiz der Porsches hatten erklären wollen. Cineastisch stand für den Zuffenhausener »rebirth of the cool« der Turbo 3.6, den Supercop Will Smith in »Bad Boys« fuhr.
Der ungewöhnlichste 964er war die wirklich furchteinflößende Studie »Panamericana«, die auf einem C4 beruhte. Als Ferry 1989 sein Geburtstagsgeschenk sah, sagte er nur: »Stellt’s mir des vom Hof.« Wer heute vor dieser Mutationsteht, kann die Irritation des Porsche-Gründers nur allzu gut verstehen. Die niederländische Autobahnpolizei fuhr 964er Targa, weil man mit dem luftgekühlten Elfer auch längere Strecken rückwärtsfahren konnte. Der 964 brachte auch viele neue Farben: Maritimblau, Sternrubinrot, Speedgelb etc. Das war stilbildend für die 90er. Ebenso die Cup-Felge.
»Dies ist der 911er für die nächsten 25 Jahre«, erklärte der neue Vorstandsvorsitzende Heinz Branitzki, als er den 964er vorstellte. Diese fast in jeder Hinsicht unhaltbare Prophezeiung sagte vor allem, dass
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