9783944842165
vorwärtslotste. Aber als sie beide Vorderhufe auf der Klappe hatte und diesen dumpfen Ton hörte, schnaubte sie erneut, verdrehte die Augen und wollte rückwärts ausweichen. Vor Schreck knickte sie mit der Hinterhand ein. Njala wirkte wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Von ihren Augen war fast nur noch das Weiße zu sehen und die Nüstern waren weit gebläht.
Pia wusste jetzt, das vorhin hätte auch den anderen passieren können und das beruhigte sie ungemein. Njala war einfach ein durch und durch verängstigtes Pferd.
»Njala, nein«, flüsterte Pia. Sie hatte Angst um die Stute. Was war, wenn sie sich verletzte?
Njala hielt kurz inne, als habe sie Pias Ruf gehört. Diesen Augenblick nutzte Herr Ommen, um seine unvergleichlich besänftigende Stimme einzusetzen. Wie er es machte, verstand Pia nicht, aber Njala entspannte sich zusehends. Sie ging zwar keinen Schritt weiter, aber ihre Augen blickten jetzt eher trotzig als ängstlich. Wulf übergab Njala an Herrn Ommen. Er fasste mit der Hand an Njalas Hals und kraulte sie erst an der Stirn, dann zwischen den Ganaschen, wie er es bei Wodan immer machte. Njala reckte den Hals lang und streckte die Oberlippe nach vorn. Herr Ommen lächelte und ging einen Schritt nach vorn. Njala folgte ihm. »Komm, es passiert schon nichts«, sagte Herr Ommen und Njala spazierte in den Transporter, als habe sie im Leben noch nie etwas anderes getan. Herr Ommen gab ihr den Apfel und band sie an, während Wulf und Jana die Klappe verschlossen. Der alte Mann krabbelte durch die vordere Klappe und Pia sah an seinem schmerzverzerrten Gesicht, welch Anstrengung ihm das kostete.
Njala stand ruhig im Hänger und kaute vorsichtig an dem Heu.
»Du siehst nicht gut aus, mien Deern.« Herr Ommen blickte Pia besorgt an. Sie hatte ein blutverschmiertes Gesicht und war so weiß wie der Zaun von Njalas Koppel.
»Stimmt, du hast was von Schneewittchen. So weiß wie Schnee, so rot wie Blut und schwarzhaarig wie Ebenholz.« Jana lachte und gab Pia ein Taschentuch. »Versuch mal, das Blut ein bisschen abzurubbeln, deine Eltern kriegen ja die Krise, wenn sie dich sehen.«
Pia nickte. Das wäre für ihren Vater ein gefundenes Fressen.
°°°
Frau Ommen wartete schon mit Pias Mutter auf dem Hof, als sie mit dem Anhänger ankamen. Normalerweise hätte sich Pia über das Interesse ihrer Mutter gefreut, aber so wie sie jetzt aussah und sich fühlte, dachte sie etwas anders darüber.
»Was ist passiert? Pia, Kind, wie siehst denn du aus?«, fragte Mama dann auch gleich.
»Nichts Schlimmes. Bin gestürzt.« Pia lief schnell mit hinter den Anhänger, um das Ausladen zu verfolgen. Aus dem Stall hörten sie Wodan, der schrill wieherte. Als die Stute antwortete, war er zunächst still, um dann so schnell aufeinanderfolgend zu rufen, dass Njala kaum mit ihrer Stimme dazwischen kam.
Herr Ommen öffnete die Klappe und nahm die Sicherung heraus. Wulf war vorn hineingeklettert, hatte Njala fest am Halfter, damit sie die Rampe nicht herunterspringen und sich womöglich verletzen konnte.
Jana und Herr Ommen standen auf beiden Seiten und dirigierten das Hinterteil des Ponys herunter.
Dann stand Njala auf dem Hof. Sie hatte den Kopf erhoben, sodass man den typisch kräftigen Norwegerhals gut erkennen konnte. Ihr Schweif stand stolz ab und die Nüstern waren gebläht. Trotz ihrer Verwahrlosung konnten alle sehen, was für ein schönes Pferd sie war. Pia sah die Stute an und wusste, dass sie dieses Pferd mehr lieben würde als alle anderen, die sie bislang gekannt hatte.
Njala tänzelte hin und her.
»Sie hat was von einem Wildpferd.« Mama blickte wieder besorgt zu Pia.
»Sag Paps nichts, bitte. Es war ein Unfall«, sagte Pia. Mama strich ihr über die zerzausten Haare.
»Wenn du mir alles erzählst …« Pia nickte. Sie würde alles tun, damit Papa das nicht mitbekam. So schnell könnte sie gar nicht gucken, wie Njala dann wieder bei Tackenbergs wäre. Und wenn Paps sie trotz seiner Abneigung gegen Pferde eigenhändig in den Hänger tragen musste.
Wulf öffnete die Stalltür. Sie brachten Njala neben Wodan in die Box. Er rannte aufgeregt hin und her und beide beschnupperten sich. Doch so nervös die Stute zuvor auch gewesen war, so ruhig war sie nun hier. Sie begann gleich am Heu zu kauen und wandte nur hin und wieder einen Blick zu Wodan, der sich gebärdete wie ein Pfau.
»Wir lassen die beiden auf die Weide, sie scheint ja ruhig und nicht aggressiv auf ihn zu reagieren.« Herr Ommen öffnete die
Weitere Kostenlose Bücher