9783944842165
Boxentüren und Wodan tänzelte mit erhobenem Schweif nach draußen. Njala nahm das alles recht gleichgültig zur Kenntnis. Wodan schnupperte an ihrer Schweifrübe, schnaubte und trabte um sie herum. Njala schubste ihn einmal freundlich an und inspizierte dann die Weide.
»Mann ist die cool«, sagte Jana. »Er gibt an wie sonst was und sie pellt sich da ein Ei drauf.«
»Aber sie tut ihm nichts. Sie hat einen gutmütigen Charakter, das sieht man so. Da ist nichts Bösartiges dran an dem Pferd. Sie ist verdorben worden, trotz all der guten Anlagen. Wirklich, eine Schande ist das«, brummelte Herr Ommen. Er war richtig verärgert, ein Zug, den Pia so noch nie an ihm gesehen hatte. Nicht einmal, als sie ihn wegen Njalas Box hängen gelassen hatte.
»Das kommt immer dann, wenn sich Leute Tiere anschaffen und keine Ahnung haben. Können nicht reiten, haben irgenwann im Zirkus mal auf einem Pferd eine Runde gedreht und meinen nun, sie könnten sich gleich eins kaufen.« Wulf kaute auf einem Heuhalm herum, genau wie Jana es immer tat. Dann redete er weiter. »Aber dieses Phänomen gibt es ja nicht nur bei Pferdebesitzern. Das zieht sich durch alle Tierhaltungen. Und dann sind am Ende immer die Tiere die Bösen, obwohl sie einfach nur nicht verstanden werden.«
»So ist es. Und ab morgen werden wir mit Njala arbeiten.« Herr Ommen warf einen Blick auf Pia: »Und du gehst jetzt ganz fix ins Bett und siehst zu, dass du dann wieder fit bist, damit du mir helfen kannst.«
Pia nickte. Sie kämpfte noch immer mit einer leichten Übelkeit und diesem ekeligen Schwindel. Außerdem war ihr kalt.
»Komm Pia«, sagte Mama dann auch schon. »Wir gehen. Ich glaube, du hast eine Grundreinigung nötig. Gut, dass Papa heute auf Dienstreise ist und erst spät kommt.«
»Das ist wirklich gut. Sonst wäre wahrscheinlich schon alles aus, bevor es überhaupt begonnen hat«, flüsterte Pia. Sie winkte Wulf und Jana, die sich jetzt auch verabschiedeten.
Als Pia in den Spiegel schaute, erschrak sie doch sehr. So ganz falsch lag Jana mit ihrem Schneewittchenvergleich nicht. Der einzige Unterschied war, dass Schneewittchen die Schönste im ganzen Land war, während Pia eigentlich eher aussah wie ein Gossenkind. Komisch, dass ihr auch jetzt wieder einfiel, wie gut es war, dass Sören sie nicht so gesehen hatte.
11.
Am nächsten Morgen dröhnte Pias Kopf tatsächlich nicht mehr. Sie stellte sich kurz vor den Spiegel. Nur eine winzige Schramme unter dem rechten Auge zerschnitt noch oberflächlich ihre Wange. Aber man musste schon sehr genau hinsehen. Und so nah kam Sören ihr ja nicht. Papa konnte sie auch ausweichen.
Jetzt sollte sie aber Sören und seine Blicke erst einmal vergessen. Njala war dran.
Kaum hatte sie sich ihre Zähne geputzt, vibrierte ihr Handy. Es war Sören. Gar nicht so leicht, ihn einfach abzuhaken.
Lebst du noch? Habe von deinem Unfall gehört. Sören
War es hier denn gar nicht möglich, auch nur die kleinste Sache geheim zu halten? Pia war direkt ein bisschen stinkig. Wer hatte da wohl getratscht? Eigentlich kam nur Jana in Frage. Mit Wulf und Herrn Ommen hatte Sören ja wohl gar nichts zu tun. Und dann erzählte Jana ihr, dass sie sich vor Sören in Acht nehmen sollte. Pia musste fast lachen. Jana wollte bestimmt etwas von Sören und es stank ihr, dass er sie, die Neue, viel interessanter fand. Deshalb machte sie ihn vor Pia schlecht und erzählte ihm gleich brühwarm von ihrem Versagen.
Vielleicht sollte Jana einfach mal ein bisschen an ihrem Äußeren arbeiten, dachte Pia. Diese Gar-Nicht-Frisur machte sie für Jungs wie Sören sicher nicht gerade interessant und ihr Schlabberlook sicher auch nicht. Unwillkürlich fiel ihr Ivonnes enge Hose ein und sie überlegte, ob man ihre irgendwie abnähen könnte. Pia erinnerte sich an Erzählungen ihrer Mutter, dass sie das als junges Mädchen immer getan hatte. Vielleicht würde Sören das beeindrucken und die Niederlage mit Njala wettmachen. Wie stand sie jetzt da? Pia zupfte an der Naht herum. Jana war wirklich blöd. Manchmal. Zumindest wenn es um Sören ging.
°°°
Njala und Wodan grasten einträchtig nebeneinander. Sie hoben beide nur kurz den Kopf, als Pia sie rief. Mama hätte sich vorhin beim Frühstück beinahe verraten. »Geht es dir besser?«, hatte sie gefragt. Natürlich war Papa gleich darauf angesprungen. Pia war nur froh, dass er ihre gesamte Ausredenpalette geschluckt hatte.
Herr Ommen kam eben aus dem Stall. »Na Pia, ist das nicht schön?
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