9783944842165
war Pia wieder zu Hause, suchte sie ihr Handy, das vorhin in die Ritze gerutscht war. Drei Nachrichten. Eine von Tabea, dass sie jetzt mit Leon zusammen sei und er sie sogar geküsst habe. Die drückte Pia gleich weg. Sollte Tabea doch küssen, wen immer sie wollte. Die zweite war von Jana.
Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich verrate! Ich bin deine FREUNDIN!!!!!!!!!!!!!!
Die dritte war wieder von Sören.
Du siehst toll aus auf einem Pferd. Soll ich dich mal am Stall besuchen kommen?
Auf Janas SMS antworte Pia vorerst nicht. Sie musste überlegen, was sie weiter tat. Auch mit Sörens Nachricht hatte sie Probleme. Klar wäre es toll, wenn er mal zum Stall käme, aber eigentlich wäre ihr das vor Herrn Ommen peinlich. Sören hatte vorhin auf dem Rad so süß ausgesehen und eigentlich glaubte Pia nicht, dass sein Aufkreuzen wirklich Zufall gewesen war.
Wollen wir uns vielleicht lieber woanders treffen? Pia
Morgen, am Strand? Kassenhaus 2? Um drei? Sören
Okay. Pia
Morgen um drei, tanzten die Gedanken in ihrem Kopf. Sören, um drei … Pia fragte sich immer wieder, warum sie ihm überhaupt den Vorschlag gemacht hatte, sich mit ihr zu treffen. Das hatte irgendwie schon so etwas Verbindliches. Außerdem passte es eigentlich gar nicht, sie musste sich nach der Schule doch um Njala kümmern. Aber wenn Sören sie treffen wollte … Pia wusste noch nicht genau, wie sie das drehen wollte, aber sie würde es hinbekommen. Irgendwie.
°°°
Es hatte in der Nacht wirklich gefroren. Die Kälte kroch durch alle Ritzen des Hauses, dass Pia sich ernsthaft fragte, wie man hier früher die Winter ohne Heizung überstanden hatte. Pia hatte sich dicke Wollsocken und zwei Schichten von Pullovern übereinander angezogen. Sie kam sich vor wie eine Wurst. Den anderen in der Schule schien die eisige Kälte überhaupt nichts auszumachen. Pia dachte, sie würde vermutlich nie wieder richtig warm werden. Nur im Wohnzimmer, vor dem Kamin, da ging es.
Jana war ihr in der Schule aus dem Weg gegangen, sie wirkte doch arg verschnupft. Die Pausen waren dementsprechend langweilig gewesen. Sören hatte nur den Daumen nach oben gezeigt und Pias Nicken war eher unauffällig gewesen. Musste ja nicht jeder mitbekommen, dass sie sich mit ihm traf. Trotz der Kälte überlegte Pia, ob sie zu dem Treffen einen Pulli weniger anziehen sollte. Damit sie nicht so seltsam wirkte. Die Daunenjacke genügte ja vielleicht. Auch die Frage, ob sie die Strumpfhose weglassen sollte, war ein großes Problem. Obwohl Sören sie ja nicht sehen konnte. Also, anlassen. Wenn sie zu sehr schnatterte, war das ja nicht so toll.
Pias Mutter musste heute lange arbeiten, ihr Vater war auch unterwegs. Keiner würde mitbekommen, wo sie jetzt hinfuhr.
Der kalte Wind nahm Pia fast den Atem. Was für eine beknackte Idee, sich bei solch einer Eiseskälte am Strand zu treffen, wo es durch den Wind mit Sicherheit noch ein paar Grad kälter war.
Als sie am Kassenhäuschen ankam, war Sören noch nicht da. Pia rieb sich die Hände. Immer wieder drehte sie sich um, suchte den Deichverlauf auf eine dunkle Jacke und dunkle Mütze ab. Das Rufen und Schreien der Möwen wirkte ein bisschen bedrohlich, wenn man so mutterseelenallein am Strand stand und die Sonne immer wieder hinter den dichten Wolken verschwand.
Schließlich verkroch Pia sich hinter dem Häuschen, gab Sören noch fünf Minuten, weil sie sonst vermutlich den Erfrierungstod sterben würde. Pia sah über das Watt, das wie eine Kristallschicht glänzte, wenn die Sonne den Kampf mit den Wolken zwischenzeitlich gewann.
Am Horizont konnte sie das Wasser erkennen. Es wirkte wie ein Spiegel. Laut Hochwasserplan würde es bald das Wattenmeer überfluten und mit seinen Wellen an den Strand heranrollen. Dann endlich würde Pia das Meer einmal sehen.
Als sie sich gerade entschlossen hatte, nun nach Hause zurückzufahren und sich um Njala zu kümmern, was eigentlich vorrangig war, hörte Pia dumpfe Schritte im Sand.
»Da bin ich. Komm mit!« Es war Sören. Er hatte einen Rucksack mitgebracht. Pia erhob sich und hatte das Gefühl, die Zehen seien kein Teil ihres Körpers mehr. Sören kämpfte sich durch den Sand. Er hielt auf das Duschhaus zu, das im Sommer auch einen Kiosk, eine Pommesbude und die Umkleidekabinen beherbergte.
Er ging die Treppen hinunter. In den Ecken lagen zusammengeknülltes Toilettenpapier, leere Coladosen und Zigarettenschachteln. Der unterschwellige Geruch von Urin durchzog die
Weitere Kostenlose Bücher