9783944842165
brüchig werden.
Sie übergab alles an Ivonne, die es gleichgültig in den Kofferraum des Wagens warf. »Ihr ladet sie aber da rein. Ich kann ja unmöglich durch euren Matsch da laufen!«
Pia sah an Ivonne herunter und blieb an den spitzen Cowboystiefeln hängen. Nein, mit den Stiefeln würde Ivonne vermutlich gerade einen Meter hinter das Gatter kommen und dann hoffnungslos steckenbleiben. Obwohl die Vorstellung für Pia sehr reizvoll war und sie Ivonne mit Vergnügen abends eine Decke gegen die Kälte und zwischendurch Wasser und Brot gebracht hätte, griff sie doch nach Halfter und Strick und fing Njala ein. Sie schien zu spüren, was kam. Nur widerwillig senkte sie den Kopf, lief aber dann hinter Pia her. Wodan trabte fröhlich mit.
»Bleib weg, du Zwerg«, sagte Ivonne und trat Wodan vor die Schulter, als er mit durchs Gatter huschen wollte.
»Das machst du nicht noch einmal, verstanden?«, zischte Pia Ivonne an. Jetzt war sie wirklich so voller Wut wie noch nie in ihrem Leben. Dieses Spiel hatte sie verloren und es war unfair, weil die Asse von vorneherein bei Ivonne gewesen waren. Nur daran hatte zu Beginn keiner gedacht. Njala wich aus, als sie an Ivonne vorbeiging.
Pia führte Njala auf den Hänger und sie folgte ihr vertrauensvoll. Pia gab ihr noch ein Leckerli und drückte dann ihr Gesicht an den kräftigen Hals. Noch einmal schnüffeln, noch einmal diesen Duft in der Nase. Und dann speichern wie auf einem Microchip, irgendwo, wo sie ihn immer wieder abrufen könnte. Mehr würde Pia nicht bleiben. »Machs gut, Njala, was auch immer wird, ich kann nichts dafür und ich denk an dich.«
Dann kroch sie blitzschnell vorn aus der Tür und hörte noch, wie Ivonne die Klappe mit Schwung zuschmiss. Njala polterte im Inneren des Hängers und dann begann sie zu schreien. Es war ähnlich dem Ton, den Wodan damals seiner Freundin hinterhergeweint hatte. Genauso antwortete er nun auch. Ivonnes Vater schoss vom Hof, dass der Transporter merklich ins Wanken geriet. Es war vorbei. Njala war weg.
Pia setzte sich auf einen Steinhaufen und sagte nichts. Sie konnte nicht weinen, nicht denken, einfach nichts tun. Wodan wieherte sich die Seele aus dem Leib Herr Ommen versuchte ihn zu beruhigen. »Der weiß, dass es endgültig ist. Wenn du mit Njala mal kurz vom Hof gegangen bist, war er immer ganz ruhig«, sagte er.
Da radelte tatsächlich Sören auf den Hof. »Sie kamen mir entgegen. In einem Affenzahn. Dein Pferd …«, er japste nach Luft, »dein Pferd tobt darin, als stünde es auf einem Waldameisenhaufen!« Sören stützte sich am Gatter ab. »Jana ist wie eine Wilde hinterhergefahren.«
»Jana? Und du? Zusammen auf dem Weg hierher?« Pia verstand nun gar nichts mehr, beschloss aber, alles erst auf sich beruhen zu lassen. Es war im Augenblick auch egal. Sören war jedenfalls hier und ihre beste Freundin jagte hinter Njala her. Sie war nicht allein. Das war im Augenblick wichtig, den Rest würde sie später klären, nun fehlten ihr Kraft und Energie.
Sören setzte sich einfach neben sie. Herr Ommen betrachtete beide und ging zu Wodan, der sich noch immer nicht beruhigt hatte.
Pia und Sören saßen eine ganze Weile auf dem Gatter. Sie sahen den ersten Insekten zu, die sich von Tag zu Tag zahlreicher auf den Weg machten. Sie nahmen wahr, dass auch Wodans Wiehern nachließ. Doch sie sagten nichts. Es gab nichts zu sagen. Im Augenblick jedenfalls nicht.
°°°
Das Geräusch, das Pia aufhorchen ließ, war eindeutig ein Martinshorn. Durchdringend und grell zerteilte es die warme Frühlingsluft, bevor sich ein zweites dazu gesellte und nichts mehr von dem schönen Tag zurückließ. Pia hüpfte vom Zaun.
»Njala!«, rief sie. »Da ist bestimmt etwas mit Njala passiert!«
»Ivonne, die blöde Kuh!«, schrie Sören. Für einen Augenblick sah Pia ihn erstaunt an. Woher kannte Sören Ivonne? Er konnte sie schließlich nur als »blöde Kuh« bezeichnen, wenn er sie kannte. Seltsam. Aber eigentlich war das jetzt auch egal. »Njala hat getobt und dann dieser Fahrstil … !«, stieß sie hervor. Sie war sicher, es war etwas passiert. Etwas ganz Schreckliches. Und sie hatte es nicht verhindern können. Die Martinshörner waren verstummt, das Singen der Vögel wirkte wie ein spöttischer Gesang auf Pia. Vielleicht war es gar nicht Njala. Vielleicht …
Sie setzte sich wieder aufs Gatter. In ihrem Bauch machte sich ein furchtbares Gefühl breit. Pia trommelte mit den Fingerspitzen auf der Oberkante des Holzbalkens. Dam
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