99 Särge: Roman (German Edition)
Transaktionen geben.«
Mit hängendem Kopf und zusammengekniffenen Lippen saß sie da.
»Ich kann Sie beruhigen, Sie zählen nicht zum Kreis der Verdächtigen, und es liegt durchaus nicht in meinem Interesse, Ihnen zu schaden. Für die anderen, die nach Ihnen suchen, kann ich allerdings nicht garantieren.« Chen nahm einen weiteren Schluck von dem verführerisch süßen Wein und änderte dann den Tonfall. »Ich bin nicht nur Polizist, sondern auch Dichter, und wie das Sprichwort sagt, ist auch mein Herz empfänglich für Schönheit – Ihre Schönheit. Ich werde alles tun, um Ihnen Ärger zu ersparen.«
»Aber wie – wie können Sie mir helfen?«
»Sie müssen mir erzählen, was Sie über Zhou wissen, nur dann habe ich die Möglichkeit, Ihnen zu helfen.«
»Er ist tot – und das alles wegen einer Schachtel Zigaretten. Wie kann meine Aussage da noch helfen?«
»Was Sie mir erzählen, wird uns helfen, den wahren Verbrecher hinter den Kulissen aufzuspüren. Und nur wenn ich die Ermittlungen zu Ende führe, sind auch Sie diese Leute los. Wir helfen uns also gegenseitig.« Dann fügte er sanft hinzu: »Reden wir doch erst einmal über Sie, wie Sie angefangen haben für Zhou zu arbeiten. Vielleicht erleichtert das den Einstieg.«
»Das wissen Sie doch bereits von meinen Eltern«, bemerkte sie, fing dann aber doch an zu erzählen.
Vor sieben Jahren, nach ihrem Abschluss an einem Shanghaier College, war sie nach England gegangen, um ihr Studium fortzusetzen. Alle sagten ihr eine große Zukunft voraus. Sie arbeitete hart, machte ihren Master in Kommunikationswissenschaften, konnte aber in England keine Arbeit finden. Die finanziellen Mittel, die sich ihre Eltern vom Mund abgespart hatten, waren verbraucht, und sie musste zurück. In China werden solche Heimkehrer abschätzig als haigui bezeichnet – ein Wort, dessen Aussprache an »Seeschildkröte« erinnert und darauf verweist, dass aus diesen Leuten nur allzu bald haidai , arbeitslose Heimkehrer, werden, gleichlautend mit dem Wort »Seetang«.
In dieser Situation las sie in der Zeitung über Zhou – einen wichtigen Parteifunktionär in der Stadtregierung. Sie erinnerte sich, dass er früher in der Nachbarschaft gewohnt hatte, jedoch wegzog, als sie noch ein Mädchen war. In ihrer Verzweiflung meldete sie sich bei ihm und fragte, ob er sich noch an die Kleine aus der Nachbarschaft erinnern könne. Zu ihrer Überraschung tat er das und bemühte sich zudem, ihr einen Sekretärinnenposten im Amt für Wohnungsbauentwicklung zu verschaffen. Zunächst dachte sie, er handle aus Mitleid. Aber in der Welt des roten Staubes wird einem nichts geschenkt. Es dauerte nicht lange, bis sie die wahre Bedeutung ihrer Position als »kleine Sekretärin« begriff. Zunächst war sie zögerlich, sträubte sich, doch auf Dauer musste sie sich in ihre Rolle fügen. Der Frühling ist fort, und niemand weiß, wohin . Sie war nicht länger jung und musste sich gewissermaßen geschmeichelt fühlen, wenn ein bedeutender Mann wie Zhou sie zu seiner kleinen Sekretärin machte. Immerhin hielt er dieses Verhältnis vor den Arbeitskollegen geheim, vielleicht auch deshalb, weil er politische Konsequenzen fürchtete. Trotz allem schien er etwas für sie übrig zu haben, auch wenn er nicht bereit war, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Aber er ermöglichte einen gemeinsamen Ferienaufenthalt in England, wo sie eine Woche lang als Paar in Fünf-Sterne-Hotels abstiegen, von denen Fang während ihres Studium nicht einmal hatte träumen können. Alles auf Spesenkosten, versteht sich. Dann war er mit ihr nach Shaoxing gefahren und hatte dort eine Villa auf ihren Namen gekauft. Als sie ihn nach dem Grund fragte, sagte er, dass sie abgesichert sein solle, da er nicht wisse, was in nächster Zeit mit ihm passieren würde. Und es wäre doch schön, wenn sie ein eigenes Heim hätte.
Seit der Skandal aufgrund der 95 Supreme Majesty losgetreten worden war, hatte sie in ständiger Angst gelebt. Obwohl Zhou ihr nichts über seine schmutzigen Geschäfte und Entscheidungen erzählt hatte, war ihr klar, dass er erledigt war. Was sollte nun aus ihr werden? Auch wenn ihr nicht dasselbe Ende beschieden war wie ihm, so war es doch nur eine Frage der Zeit, bis sie zumindest ihren Job verlieren würde. Dang würde sie niemals in einer solch verantwortungsvollen Position belassen. Außerdem hatten Jiang und sein Team sie unter Druck gesetzt, gegen Zhou auszusagen. Daraufhin hatte sie sich krank gemeldet und war nach
Weitere Kostenlose Bücher