999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
widerstehen! Es war ein Fehler, dass ich Euch damals nicht getötet habe. Aber nun naht das Ende. Nun werdet Ihr erfahren, was es heißt, Giuliano de’ Medici zu beleidigen. Ihr wollt dieses Weib? Nehmt sie, sie gehört Euch – für immer!«
Grob stieß er Margherita zu Giovanni hinüber. Im selben Moment holte Ulrich zu einem brutalen Schwerthieb hinter dem Rücken der Frau aus. Ferruccio schaffte es gerade noch, mit einer Breitseite die Klinge des Schweizers abzuwehren. Dann versuchte er, Ulrich mit einer schnellen Drehung seines schweren Schlachtenschwertes zu entwaffnen. Dieser ließ jedoch nicht locker und riss sein Schwert hoch. Ferruccio sprang rechtzeitig zur Seite und zwang seinen Gegner zurückzuweichen, indem er ihm seinen Mantel über das Schwert warf. Genau das hatte Ferruccio gewollt, denn nun hatte er mehr Platz zum Kämpfen und lief nicht Gefahr, jemanden aus Versehen zu treffen.
Alles Weitere geschah in einem Wimpernschlag: Giovanni spürte, wie Margherita in seinen Armen zusammensackte. Während sie vor ihm zu Boden sank, sah er einen Dolch, der ihr zwischen den Rippen steckte.
»Margherita«, schrie er und versuchte, sie mit einem Arm zu stützen. Als er ihr über die Wangen strich, sah sie kurz auf, schloss dann aber sofort wieder die Augen. Giovanni hielt sie eng an sich gedrückt und legte sie sanft auf dem Boden ab. Er konnte es nicht glauben. Mit einem wilden Schrei versetzte ihm Giuliano de’ Medici einen Fußtritt, der Giovanni zu Boden warf. Dieser zeigte keinerlei Reaktion, was Giuliano nur noch mehr provozierte. Er brüllte wie von Sinnen und stürzte sich auf ihn. Er fiel direkt in Giovannis ausgestreckten Arm und in das Messer mit gezackter Klinge, das sich bis zum Anschlag in Giulianos Bauch versenkte. Beide sahen einander sprachlos in die Augen. Giuliano betrachtete ungläubig den Blutfleck, der sich unter Giovannis Faust auszubreiten begann.
De’ Medici fiel auf die Knie und spürte, wie das Leben aus ihm wich, während er sich die Hand auf den Bauch presste. Ein Schwall roten Bluts quoll aus seinem Mund. Er versuchte zwar, noch etwas zu sagen, konnte aber nur noch ein unverständliches Gurgeln von sich geben. Ulrich hatte zum ersten Mal in seinem Leben Schwierigkeiten. Der Mann, den er vor sich hatte, bedrängte ihn schwer und schien aus Marmor zu sein. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sein Herr verloren war. Er sammelte seine letzten Kräfte, sprang auf eine Brüstung und rannte zum Tor, in der Hoffnung, dass der andere ihn nicht hinterrücks angreifen würde. Der Stallbursche, der draußen gewartet hatte, sah nur einen Mann, der aussah, als würde ihn eine Horde Dämonen verfolgen. Neugierig beobachtete er, wie der Mann stürzte, sich wieder aufrappelte und dann hinter einer Mauer verschwand.
Leonora war an Ferruccios Seite, und Giovanni hielt Margherita in seinen Armen. Neben ihnen lag Giuliano de’ Medici, der sie mit den leblosen Augen eines Toten anstarrte.
Die Äbtissin erwachte aus ihrem Alptraum. Langsam taumelte sie rückwärts bis zu einer Eisenglocke, an der sie mit ganzer Kraft zog. Der schrille Klang der Klosterglocke dröhnte durch die Hallen, und sofort kam eine Gruppe Ordensschwestern angelaufen. Als sie sahen, was geschehen war, begannen alle durcheinanderzuschreien. Ferruccio und Leonora nutzten die allgemeine Verwirrung und halfen Giovanni, der immer noch Margherita in den Armen hielt, aufzustehen. Sein Wams war blutverschmiert. Fassungslos schaute Giovanni in ihre Gesichter und versuchte, für das Geschehene eine Antwort zu finden, die es jedoch nicht gab.
»Komm, Giovanni, wir können hier nichts mehr tun. Gleich werden die Soldaten kommen. Wir dürfen nicht länger hierbleiben«, sagte Ferruccio leise.
Der Graf nickte geistesabwesend. Als letzte Geste seiner Liebe küsste er Margherita auf die Stirn und legte vorsichtig ihr Haupt auf dem Boden ab. Dann stand er auf und ließ sich zum Ausgang ziehen. Als er auf sein Pferd stieg, erschien ihm die Feuerkugel. Sie strahlte noch heller als die Sonne, die ihnen auf die Köpfe schien. Giovanni sprach mit ihr, und sie antwortete ihm. Diesmal jedoch konnten ihn die Worte der Feuerkugel nicht trösten. Zum ersten Mal in seinem Leben jagte er sie fort. Zögernd entfernte sie sich, bis sie vollkommen verglüht war.
Rom
Donnerstag, 28. Juni 1487
Eine Hitzewelle hatte den Beginn des Sommers eingeläutet. Seit vielen Tagen hatte es nicht mehr geregnet, und anstelle des Schlamms war ein feiner Staub
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