999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
er aufdringlicher denn je.
An jenem Abend saßen Ferruccio und Giovanni bei einem Glas süßem Wein mit Speck und Nüssen zusammen.
»Ich habe Mittel und Wege gefunden, um Girolamo nach Florenz zu bringen. Ich gestehe dir, dass seine Anwesenheit mir hier unerträglich geworden ist«, sagte Ferruccio ehrlich.
»Auch für ihn wird es eine Wohltat sein«, antwortete Giovanni. »Obwohl ich ihn immer noch gerne habe.«
»Wenn es nicht so wäre, hätte ich ihm schon längst die Kehle durchgeschnitten.«
Giovanni lächelte.
»Und wie willst du ihn fortbringen?«
»In ein paar Tagen wird ein Schiff mit einer Ladung Wein und Öl nach Livorno aufbrechen. Ich habe mich schon mit dem Kapitän auf zehn Golddukaten geeinigt. Dafür wird er Girolamo bei der Abfahrt verstecken. Sobald er sich dann von Florenz aus meldet und uns mitteilt, dass es ihm gut geht, erhält der Kapitän weitere zwanzig Dukaten. Eine gute Vereinbarung, findest du nicht?«
»Weiß Girolamo schon etwas?«
»Ich zähle darauf, dass du es ihm sagst.«
Der Graf lächelte immer noch.
»Du verfügst über die bessere Überzeugungskraft. Ich für meinen Teil habe dann meine Schuld ihm gegenüber beglichen.«
»Er ist dir wirklich sehr verbunden und bewundert dich über alle Maßen«, wandte Ferruccio ein. »Ich weiß aber auch, dass es für ihn schwer sein wird: wie ein in Schmalz ausgebackener Kloß.«
»Nun ist gut, Ferruccio. Du hast mir die Seele erleichtert, und ich danke dir von Herzen dafür. In einer Angelegenheit hat Benivieni jedoch nach wie vor Recht: Ich muss meine Thesen verteidigen, sonst ist alles verloren.«
»Ich werde dafür sorgen, dass deine Apologie dem Papst auf verschwiegenem Wege zugetragen wird. Das wird nicht schwierig sein, und wir werden so tun, als würde sie direkt aus Florenz kommen.«
Giovanni schenkte sich und Ferruccio noch ein wenig Wein nach.
»Ich möchte dich um noch etwas bitten.«
»Was immer du willst, Giovanni. Vielleicht ist meine Freundschaft für dich nicht so offensichtlich wie die von …«
Der Graf berührte Ferruccios Arm.
»Sag nichts, es ist nicht notwendig. Hör dir aber an, was ich dir zu sagen habe. Es ist die Bitte eines Freundes. Ich möchte nur an deiner Seite sein, wenn du und Leonora euch ewige Treue schwört.«
»Giovanni …«
»Du weißt nicht, wie groß meine Freude darüber ist, dass ich eure Liebe täglich wachsen sehe.«
»Ist das so offensichtlich?«
»Ich glaube, sogar Girolamo hat es bemerkt.«
»Ich habe ihr noch nichts … noch nichts gesagt.«
»Irgendwann wirst du es schon tun, und dann wird sie glücklich sein.«
»Glaubst du?«
»Ich bin mir sicher, ihr verdient es alle beide.«
Ferruccio seufzte.
»Ich fühle mich fast ein wenig schuldig.«
»Das vergeht. Die Liebe einer Frau ist die beste Medizin für die Seele und nicht nur für sie.«
Giovanni trat ans Fenster. Er öffnete es und schaute in den nächtlichen Sternenhimmel. Er holte tief Luft und nahm den Geruch des Frühsommers wahr, den der Wind von den Feldern Roms herwehte.
»Die Erde ist fruchtbar, und obwohl überall Blut vergossen wird, trägt sie nach wie vor ihre besten Früchte. Ich habe meine reifen lassen, und nun riskiere ich, dass sie verfaulen. Auf die eine oder andere Weise muss ich einen Weg finden, um wenigstens den Samen der Erkenntnis zu verbreiten. Ich verfaule hier, Ferruccio.«
»Ich verstehe dich. Du hast Recht, denn das Klima hat sich verändert, und ich glaube, das hängt mit dem immer stärker werdenden Einfluss Kardinal Borgias auf den Papst zusammen. Mir wurde erzählt, dass sie letzten Sonntag sogar gemeinsam die Messe zelebriert haben. Und ich bin davon überzeugt, dass die grausame Inquisition vom Kardinal selbst gelenkt wird. In Spanien ist es Torquemada, der – mit dem Segen von König Ferdinand und Königin Isabella – schaltet und waltet, wie es ihm genehm ist.«
»Ich muss von hier fortgehen, Ferruccio. Und du hattest Recht: Ich hätte nie hierherkommen dürfen.«
»Aber du hattest ein Ziel vor Augen, das dein Lebensinhalt war. Ich hatte dir geraten, von Rom fernzubleiben, weil du mir wichtig bist und weil viele Gefahren auf dich lauerten – aber an deiner Stelle hätte ich genauso gehandelt.«
»Ich habe Zerstörung und Tod gebracht. Ich habe sogar getötet, Ferruccio.«
»Du hast dich nur verteidigt. Giuliano hatte weit mehr als diesen schnellen Tod verdient. Sobald sich Girolamo in Sicherheit befindet, gehen wir gemeinsam nach Florenz. Und ich werde Leonora
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