AAA - Das Manifest der Macht
gönnerhaft.
Nun ereiferte sich auch Samantha: „Oder noch besser: Marx war doch durch und durch Kommunist. Dass er seine Kommunismusideen komplett verraten hat, ist eher unglaubwürdig. Marx hat ja, wie wir hier im Tagebuch lesen können, schließlich das Manifest der Kommunistischen Partei als Auftragsarbeit geschrieben, und das Manifest der Macht ist quasi der zweite Teil. Marx war Philosoph und Publizist. Entsprechend sollte das Manifest der Macht doch die Weiterentwicklung seiner Gedanken und keine Umkehr gewesen sein.“
„Stimmt, aber trotzdem ist irgendwas Entscheidendes geschehen, sonst hätte Guy de Levigne nicht so kalte Füße bekommen, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn, nur wenig später, nachdem er das Tagebuch versteckt hatte, wurde er laut Traueranzeige ermordet aufgefunden.“ John hatte noch in der Nacht die Kopie des damaligen Zeitungsartikels mit der Todesanzeige und dem letzten Tagebucheintrag verglichen.
„Spielen wir es doch einmal von unserem heutigen Wissenstand aus durch: Um den Kommunismus in einer Gesellschaft zu etablieren, müssten der Oberklasse alle Ressourcen und Betriebsmittel weggenommen werden. Das lag ja überhaupt nicht in der Macht oder dem Einflussbereich von Marx. Er war ja selber Teil des Widerstandes. Aber, wie wir auch wissen, geht das also letztlich nur durch Kriege oder blutige Aufstände, wie die seinerzeit in Paris, als Marx dort lebte. Und meinst du wirklich, dass das am Ende vom Tag das erstrebenswerte Ziel war?“ Samantha brachte durch lautes Aussprechen ihrer bisherigen, durchaus verwirrenden Informationen, mehr Klarheit in ihre Gedanken: „War Marx ein Anarchist?“, fragte sie in die Runde.
Die drei blickten einander ratlos an.
„Aber die Geschichte hat uns ja gezeigt, wohin der Weg die Kommunisten letztendlich geführt hat!“ John konnte man seine Abscheu gegenüber kommunistischem Gedankengut regelrecht ansehen.
„Das haben sich Marx und Engels aber sicher nicht so vorgestellt“, warf Ben ein.
„Weiß ich nicht“, entgegnete Samantha,„aber es könnte ja andererseits gut möglich gewesen sein, dass sich Marx und seine Kollegen durch eine schleichende Enteignung Verbündete suchten. Und die fanden sie eben in Gestalt der Banken. Natürlich wollte man den Banken das Feld nicht gänzlich überlassen, denn damit hätte man ja zwangsläufig die Grundidee der Umverteilung des Kapitals verraten. Eher sah man– so denke ich es mir jedenfalls – die Banken als Mittel zum Zweck.“
„Aber die Ressourcen wie Eisenbahnnetz und Fabriken gehörten damals einigen wenigen Reichen“, gab John zu bedenken, „und die Banken waren damals ja eher der kleine Partner dieser Leute. Vor allem hatten die Banken damals noch gar nichts mit Produktionsmitteln zu tun. Vielleicht wollten sie sich tatsächlich miteinander verbünden?“
„Und doch haben die Herrn Bankenchefs dann, als sie quasi das Kapital aller in ihren Händen hielten, die einstigen Verbündeten Marx und Engels fallen gelassen wie heiße Kartoffeln“, meinte Samantha. „Denn, wie man weiß, ist Marx völlig verarmt in London verstorben.“
„Na ja“, erklärte John, „die Banken hatten, was sie wollten. Sie brauchten ihn nicht länger. Marx wollte ja auch seine Schäfchen ins Trockene bringen. Entweder, wie unser Guy schreibt, für sich selbst oder für den Kommunisten-Club.Wer weiß, was geschehen wäre, hätten außer Guy de Levigne noch andere erkannt, welche Risiken die Verbündungsidee mit den Banken in sich trug.“
„Stimmt!“, ergänzte Samantha. „Und als er sich offen gegen Marx und Engels stellte, haftete ihm sozusagen schon der Leichenduft an.“
„Das ist immer noch ziemlich wirr und unausgegoren. Ich bin jetzt erst einmal total gespannt, was wir an der von deinem lieben Chef angegebenen Adresse finden werden.“ Ben malte mit seinen beiden Zeige- und Mittelfingern bei den Worten lieber Chef imaginäre Anführungszeichen in die Luft.
Kurze Zeit später setzte die Maschine weich auf der Landebahn des Flughafens London-Heathrow auf und rollte bis vor einen kleinen privaten Hangar. Ein Servicemitarbeiter öffnete von außen den Ausstieg und klappte die kleine Leiter aus.
„Von Piloten hat man die ganze Zeit nichts gesehen“, bemerkte Ben, als sie mit ihrem Gepäck das Flugzeug verließen.
„Stimmt“, lachte John.„Hoffentlich waren überhaupt welche an Bord.“
Das Lachen wäre ihm sicherlich vergangen, wenn er einen Blick ins Cockpit hätte werfen können. Dort
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