AAA - Das Manifest der Macht
ihn möglich würden. Die Wahrheit sollte ans Licht, aber die Sicherheit seiner Familie ging vor. Guy lächelte in Gedanken an seine Frau und gestattete sich ein wenig abzuschweifen. Was war seine damalige Freundin schön gewesen an dem Tag, als er ihr in Berlin den Heiratsantrag machte. Einen angemessen würdevollen und schönen Ort hatte er dafür gewählt: die riesige Granitschale im Lustgarten vor dem Alten Museum. Ein Ort mit historischer Bedeutung. Guy stockte. Historische Bedeutung? Ja, sicher, und nicht nur für ihn persönlich. Aber wenn er nun …, ja, dieser Ort war perfekt geeignet für eine weitere Dimension von historischer Bedeutung.
Falls er selbst nicht mehr Zeit und Gelegenheit haben sollte, die Kehrseite des Kommunismus persönlich klarzustellen, sollte jemand anderes wenigstens die Möglichkeit bekommen, eine der größten Verschwörungen der Geschichte ans Tageslicht zu bringen. Guy begann zu schreiben.
Ein paar Tage später verließ Guy de Levigne mit einem zufriedenen Lächeln das Büro seines Verlagschefs. Er hatte ihm einen
Text in die Hand gedrückt, vor dessen Inhalt dieser nicht die Augen verschließen konnte. Und der Verleger hatte ihm versprochen, seine Geschichte nächste Woche zu drucken.
Guy hatte also noch genau eine Woche Zeit für die restlichen Schritte seines Plans, dann würde alles seinen Lauf nehmen. Seine Hinweise würden entschlüsselt werden und die große Verschwörung aufdecken. Er brauchte kein schlechtes Gewissen mehr zu haben und konnte sein Leben in Ruhe fortsetzen.
Im Zeitungsgebäude saß der Verlagschef unterdessen an seinem Schreibtisch und las noch einmal die Geschichte von Guy de Levigne, die dieser unbedingt unter einem Pseudonym veröffentlichen wollte. Das schien eine große Sache zu sein, was jetzt noch harmlos vor ihm lag, und Guy hatte gute Gründe, den Artikel nicht unter seinem eigenen Namen abzudrucken. Auch ihm, dem Verleger, war so manche einschneidende Veränderung an einem seiner bekanntesten Gastschreiber nicht verborgen geblieben. Dennoch fragte er sich, ob de Levigne nicht einiges falsch verstanden haben könnte. Oder wollte sich da vielleicht einer beim anderen rächen?
Eine Woche später konnten die Pariser in der Rubrik „Ungewöhnliche Geschichten“ eine Story lesen mit der Überschrift: „Der Schatz der Kommunisten“ verfasst von Adrian Poor.
Inzwischen waren ein paar Monate vergangen. Noch war nichts passiert.
Der nächste Direktflug der Air France von Köln nach Paris startete erst in zwei Stunden. Samantha, John und Ben beschlossen, ihre wenigen Gepäckstücke bereits aufzugeben und sich dann irgendwo im Flughafen ein Restaurant zu suchen, um die Zeit bis zum Abflug zu überbrücken.
„Nehmen wir in Paris wieder einen Mietwagen?“, fragte Ben, nachdem er mit einem vollen Essenstablett am Tisch Platz genommen hatte.
Samantha schüttelte den Kopf und schob sich eine Gabel voll Gemüse in den Mund.„Nein“, sagte sie, während sie kaute,„unser geplantes Reiseziel liegt ganz in der Nähe vom Flughafen Charles de Gaulle. Wir können alles per Taxi erledigen. Außerdem ist es nicht gerade ein reines Vergnügen, in Paris Auto zu fahren. Ziemlich gewöhnungsbedürftig.“
„Hast du einschlägige Erfahrungen?“, fragte John, der sich nur zwei belegte Brötchen genommen hatte.
„Durchaus, ja. Ich habe mal ein dreimonatiges Praktikum in Paris bei einer Zeitung gemacht und gleich am ersten Tag einem geliehenen Auto eine Beule verpasst, weil ich die Gepflogenheiten nicht kannte. Aber lassen wir das. Wir fliegen ja nicht nach Paris, um dort den Verkehr zu beobachten, sondern um vielleicht aus den letzten Nachfahren von Karl Marx ein paar Informationen heraus zu kitzeln. Die Adresse habe ich. Die Frage ist, wie gehen wir vor?“
„Wir klingeln an der Tür“, schlug Ben vor.
Samantha lächelte. „Eine Methode von geradezu bestechender Simplizität“, meinte sie. „Genauso machen wir es. Aber wer führt das Gespräch? Franzosen sind ja nicht dafür bekannt, Fremdsprachen zu lieben. Anders gefragt: Wie ist euer Französisch?“
„Weißt du doch“, antwortete Ben, „ich erfasse, was ich lese und ich verstehe, was ich höre, wenn derjenige langsam und deutlich spricht. Mein aktiver Wortschatz lässt leider mangels Übung ziemlich zu wünschen übrig.“
„Gut! Und bei dir, John?“
John blickte auf seinen Teller. „Also, ich kann ein Baguette bestellen und nach dem Weg fragen. Und mich entschuldigen, wenn ich
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