Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
Verkünder! Wie war das möglich? Der Kerl hatte sich verdoppelt. Aaron unterdrückte einen Fluch. Der Kampf mutierte zu einer ungewohnten Herausforderung. Sein Schwert surrte durch die Luft. Kaum wich der eine Gegner zurück, griff ihn der andere an. Aaron fiel es immer schwerer zu unterscheiden, wen er vor sich hatte oder ob er gegen reine Trugbilder kämpfte. Das schnelle Kreisen, die Attacken, alles zwang ihn dazu, seine Sinne noch mehr zu konzentrieren.
Doch nach einer Weile gelang es ihm, einem der Doppelgänger das Schwert aus der Hand zu schlagen. Es flog in hohem Bogen durch die Luft und krachte gegen Beton.
«Lauf, mein Sohn!», rief der Doppelgänger.
Aaron wollte sich auf den Unbewaffneten stürzen, aber der andere versperrte ihm den Weg. «Jetzt musst du mit mir vorlieb nehmen.»
Der Doppelgänger und die beiden Nephilim rannten davon. Das Echo ihrer Schritte schallte durch den Tunnel. Das Schwert des Gegners sauste auf Aaron nieder. Er konnte sich gerade so mit einem Hechtsprung zur Seite retten. Dieser Widersacher war noch wendiger und kampferprobter als der andere.
Die Züge des Verkünders verschwammen vor seinen Augen und Rebeccas erschienen, dann zeigte sich ihm wieder ein anderes Gesicht. Die blonden Haare wurden dunkler. Das Wesen vor ihm wandelte seine Gestalt so schnell, dass ihm schwindlig wurde.
Binnen weniger Sekunden stand vor ihm ein Engel. Sein schwarzes Haar und die schwarze Kleidung bildeten einen Kontrast zu den weißen Schwingen, die er ausbreitete wie ein Vogel, der seine ersten Flugübungen vollführte. Aaron schüttelte den Kopf, um seine Benommenheit zu vertreiben. Sein Widersacher stand mit dem Schwert in der Hand ihm gegenüber. Wider Erwarten griff er nicht an, sondern taxierte ihn.
«Uriels Sohn.»
Seine Hand fuhr an der scharfen Klinge hinauf und hinab, bis sie leicht vibrierte. Aaron kniff die Augen zusammen, denn im nächsten Augenblick stand er seinem Spiegelbild gegenüber. Kaum hatte er sich an den Anblick gewöhnt, zeigte der Engel wieder seine Gestalt. Unter seinem linken Auge zog sich eine Narbe, die nur von Engelsfeuer stammen konnte. Er war ihm noch nie begegnet und kannte ihn nur aus den Legenden: Ariel, der Engel der tausend Gesichter.
«Ariel», stieß Aaron wütend hervor.
Er ärgerte sich, auf die Täuschung hereingefallen zu sein. Ariel musste seine Gefühle für Rebecca gespürt und deshalb ihre Gestalt angenommen haben. Aaron verwünschte sich, weil er an ihr gezweifelt hatte.
Ariels Lippen verzogen sich zu einem geringschätzigen Lächeln. «Du bist auf meinen kleinen Trick hereingefallen, Blutengel. Ich konnte in deinem Gedächtnis lesen wie in einem offenen Buch. In euch Mischwesen steckt zu viel Menschlichkeit, zu viele Emotionen, die euch schwächen. Schlecht für dich, gut für mich.» Er kicherte.
«Was willst du? Und was hast du mit dem Verkünder zu schaffen?» Aarons Hände umfassten den Schwertknauf noch fester.
«Ich kann nicht länger tolerieren, dass du dich in meine Geschäfte einmischst.» Sein Arm schoss mit dem gezückten Schwert vor. «Halte dich von ihm fern oder ich werde dich vernichten.» Seine sanfte Stimme konnte nicht über seinen kalten Blick hinwegtäuschen.
«Ach, und du glaubst, dass mich deine Drohung beeindruckt? Soll ich mich etwa vor dir fürchten?» Aaron hielt eine Hand hoch und zitterte gespielt.
«Du wirst schon sehen, was du davon hast, dich mit mir anzulegen!», donnerte Ariel.
«Hast du dich jetzt auch auf Luzifers Seite geschlagen? Ist der Verkünder dein Handlanger?»
Ariels Miene blieb ausdruckslos. «Ich gehöre keiner Seite an, merk dir das, und das wird sich auch nicht ändern. Es gibt nichts Besseres, als ein freies Leben zu führen und sein eigener Herr zu sein.» Ein langer Seufzer folgte. «Ihr Blutengel tut mir leid. Immer müsst ihr die Befehle eurer Väter ausführen. Ich konnte immer tun und lassen, was ich wollte. Bin niemandem Rechenschaft schuldig.»
Alle Engel der höheren Chöre besaßen das androgyne Aussehen, das sie auch dann nicht verloren, wenn sie sich Luzifer anschlossen. Auf den ersten Blick hatte jeder Schwierigkeiten, ihnen ein Geschlecht zuzuordnen.
Sie besaßen ja auch nicht wirklich eines , dachte Aaron gehässig.
Er überging die Anspielung des Renegaten. «Irgendwann musst du dich für eine Seite entscheiden, ob du willst oder nicht, Ariel.»
Der Engel legte den Kopf zurück und lachte. Dann verstummte er abrupt und seine Miene verfinsterte sich.
«Schluss jetzt
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